Ein Unternehmen aus der Personaldienstleistungsbranche meldet Insolvenz an. Zum Geschäftsmodell des Unternehmens gehört es, Freiberufler per Dienst- oder Werkvertrag zu binden und an Endkunden weiter zu vermitteln. Die geschlossenen Verträge enthalten zumeist Klauseln zum Thema Kundenschutz, die eine direkte Beauftragung zwischen Kunde und Freiberufler ausschließen. Eine schwierige Situation wie das Beispiel bei der Reutax AG und Lenroxx AG zeigt.
Dr. Ralf Kittelberger, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht und für Handels- und Gesellschaftsrecht geht im Folgenden auf die wichtigsten Frage ein, die sich betroffene Freiberufler in diesem Kontext stellen könnten.
Bitte beachten Sie, dass diese FAQs lediglich einen ersten Überblick über die komplexen insolvenzrechtlichen Regelungen bieten können und keinesfalls eine individuelle Rechtsberatung ersetzen.
1. Welche Schritte muss ein Freiberufler unternehmen, um seinen finanziellen Schaden zu minimieren?
Der Freiberufler ist kein „abgesicherter“ Arbeitnehmer, der im Falle der Insolvenz seines Arbeitgebers für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses, die dem Insolvenzereignis vorausgehen, Anspruch auf Zahlung von Insolvenzgeld hat. Der Freiberufler bietet seine Leistungen hingegen regelmäßig als freier Unternehmer an. Er ist – aus insolvenzrechtlicher Sicht – ein „normaler“ Gläubiger.
Ziel der Insolvenz des Personaldienstleisters ist es nach Maßgabe des Gesetzes grundsätzlich – auch wenn die Realität häufig eine andere Sprache spricht -, seine Marktpräsent aufrecht zu erhalten, weshalb während des Insolvenzverfahrens die Geschäfte (sog. Massegeschäfte) weitergeführt werden.
Sofern der Freiberufler mit dem Insolvenzverwalter einen neuen Dienst-/Werkvertrag schließt, sollte er im Rahmen dessen seine Leistung idealerweise nur gegen Vorkasse erbringen. Allerdings muss man sich vergegenwärtigen, dass der Insolvenzverwalter für von ihm für die Masse zugesagte Leistungen, wenn sie tatsächlich von ihm (in der Praxis selten) nicht erbracht werden sollten, persönlich haftet.
Der Freiberufler sollte bereits im Vorfeld einige Maßnahmen ergreifen, damit die Insolvenz des Personaldienstleisters nicht zum eigenen Risiko wird:
Zum einen sollte er in seiner eigenen Kalkulation stets einen gewissen Forderungsausfall einplanen (ggf. Abschluss einer Forderungsausfallversicherung). Ferner sollte die Auftragslage nach Möglichkeit so gesteuert werden, dass Abhängigkeiten von einem Kunden vermieden werden.
Zum anderen sollte der Kunde stets auf Anzeichen von Überschuldung oder drohender Zahlungsunfähigkeit beobachtet werden. Erste Alarmzeichen sind Zahlungsstockungen, verlängerte Zahlungsziele oder das Nicht-Nutzen von Skonto-Möglichkeiten.
2. Ist der Vertrag mit dem insolventen Personaldienstleister noch gültig, sind insbesondere z. B. Kundenschutzklauseln noch durchsetzbar?
Stellt die zu erbringende Werk- oder Dienstleistung eine Geschäftsbesorgung dar, gelten über § 116 InsO die Folgen des § 115 InsO entsprechend, wonach ein vom Insolvenzschuldner geschlossener Vertrag mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt – anders dagegen ist die Situation bei Arbeitnehmern zu beurteilen, wonach nur ein Sonderkündigungsrecht des Insolvenzverwalters nach § 113 InsO besteht. Eine Ausnahme hiervon gibt es nur bei „Gefahr im Verzug“.
Daher sind auch etwaige in dem Vertrag enthaltene Kundenschutzklauseln hinfällig, es sei denn, diese sind – wirksam – für den nachvertraglichen Bereich auch in Bezug auf den Kunden des Personaldienstleisters geschlossen worden, was es ggf. kritisch zu überprüfen gilt.
Solange der Freiberufler die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne Verschulden nicht kennt, gilt der Dienst-/Werkvertrag (mit etwaigen Kundenschutzklauseln) jedoch als fortbestehend, §§ 116, 115 Abs. (3) InsO.
3. Werden Forderungen aus Leistungen bis zu Insolvenz anders behandelt als Forderungen aus Leistungen, die noch nach der Insolvenz erbracht wurden?
Ja.
Honorarforderungen aus Leistungen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind sog. Insolvenzforderungen, die zur Insolvenztabelle anzumelden sind und im Zweifel allenfalls mit einer geringen Quote am Ende des Insolvenzverfahrens bedient werden (häufig nur in Höhe von 0 – 10 % der Forderung). Zwecks Gleichbehandlung aller Gläubiger erhält jeder Gläubiger einer Insolvenzforderung aus der vorhandenen Insolvenzmasse eine Zahlung, die der Quote seiner Forderung im Verhältnis zur Gesamtheit der angemeldeten Forderungen entspricht.
Soweit Honorarforderungen für Zeiträume geschuldet werden, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen, handelt es sich um sog. Masseverbindlichkeiten, die aus der Insolvenzmasse vorweg zu berichtigen sind.
Masseverbindlichkeiten werden vor den Insolvenzforderungen bedient, d. h. erst, wenn alle Masseverbindlichkeiten beglichen wurden, erfolgen Zahlungen auf Insolvenzforderungen. Der Insolvenzverwalter hat dabei sicherzustellen, dass die Masseverbindlichkeiten bedient werden können.
4. Hat der Endkunde einen Anspruch auf Erbringung der Leistung gegenüber dem Freiberufler?
Nein, der Endkunde hat – wie vor der Insolvenz – regelmäßig keinen Anspruch auf Erbringung der Leistung gegenüber dem Freiberufler. Der Endkunde steht nur mit dem Insolvenzschuldner in einem Vertragsverhältnis – das übrigens zunächst unberührt wegen § 108 Abs. (1) InsO fortbesteht -, weshalb er sich ausschließlich an diesen halten muss.
Eine Ausnahme gilt allenfalls dann, wenn die Insolvenzschuldnerin die Besorgung der Leistung von einem bestimmten Freiberufler zugesagt hat, wobei sich der Insolvenzverwalter dann wegen der in Frage 2 beschriebenen Problematik um eine Sonderregelung bemühen wird.
5. Kann der Insolvenzverwalter geleistete Honorare zurückfordern und wenn ja, innerhalb welcher Fristen?
Hat der Freiberufler sein Honorar bereits erhalten, bevor es zur Stellung des Insolvenzantrags kommt, befindet er sich zunächst in einer „komfortablen Position“.
Entscheidend ist aber, ob der Freiberufler das Honorar auf Dauer behalten darf oder ob der Insolvenzverwalter ihn auf Rückzahlung in Anspruch nehmen kann.
- § 131 InsO ermöglicht dem Insolvenzverwalter die Anfechtung einer sog. inkongruenten Leistung, die innerhalb des letzten Monats vor Stellung des Insolvenzantrags oder nach Antragstellung erbracht wurde (vgl. § 131 Abs. (1) Nr. 1 InsO). „Inkongruent” ist eine Leistung, wenn der Empfänger sie „nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit” zu beanspruchen hatte.
- Ebenso kann der Insolvenzverwalter eine inkongruente Leistung anfechten, wenn sie innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor Stellung des Insolvenzantrags erbracht wurde und entweder der Schuldner zu dieser Zeit zahlungsunfähig war oder der Empfänger im Zeitpunkt der Leistung deren gläubigerbenachteiligende Wirkung kannte (vgl. § 131 Abs. (1) Nr. 2 und 3 InsO).
§ 131 InsO ist für Freiberufler deshalb höchst gefährlich:
Schon innerhalb des relevanten Zeitraums selbst – beginnend drei Monate vor Stellung des Insolvenzantrags – können sehr erhebliche Honoraransprüche auflaufen.
§ 131 InsO ist aber auch dann zu beachten, wenn innerhalb des Drei-Monatszeitraums Honorare für Leistungen gezahlt werden, die lange vorher erbracht wurden.
Von entscheidender Bedeutung ist deshalb die Frage, ob die Leistung inkongruent war. Inkongruenz kommt zunächst unter dem Gesichtspunkt der Art der Leistungserbringung in Betracht. Zwar ist eine Zahlung nicht schon deshalb inkongruent, weil sie durch Überweisung oder (eigenen) Scheck erfolgt. Inkongruent wäre die Leistung aber z. B. dann, wenn der Freiberufler die Zahlung nicht unmittelbar von seinem Auftraggeber, sondern auf dessen Anweisung von einem Schuldner des Auftraggebers erhält.
Von größerer praktischer Relevanz ist jedoch der Gesichtspunkt der Leistungszeit. Inkongruent ist jede Leistung, die vor Fälligkeit erbracht wird, es sei denn, die Differenz zwischen dem Leistungs- und dem Fälligkeitszeitpunkt wäre ganz geringfügig. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Freiberufler dann, wenn nichts anderes vereinbart ist, regelmäßig zur Vorleistung verpflichtet sein wird. Handelt es sich um einen Dienstvertrag, so ergibt sich dies aus § 614 Satz 1 BGB; bei einem Werkvertrag folgt die Vorleistungspflicht aus § 641 Abs. (1) Satz 1 BGB.
6. Inwieweit können verschiedene Vorauszahlungen an die Finanzverwaltung reduziert werden?
Hier sollte erforderlichenfalls mit dem Steuerberater und dem Finanzamt Rücksprache gehalten werden, inwieweit Anpassungen erforderlich und möglich sind. Die hier bestehenden gesetzlichen Pflichten sind durch die Insolvenz eines Kunden nicht berührt.
4 Kommentare
In wie weit kann der „echte“ Freiberufler, der nicht als Gesellschaft auftritt, den BGP §626 „Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund“ nutzen, um nicht nach der Insolvenz nicht weiter in Vorleistung zu gehen.
Es ist schon impertinent, vom Freiberufler den Abschluss einer Forderungsausfallversicherung zu verlangen.
Vielmehr sollte jeder Freiberufler von seinem Personalvermittler den Abschluss einer Insolvenzversicherung im Rahmen der Berufshaftpflichtversicherung verlangen. Die Finanzierung könnte durch das übliche Skonto erfolgen.
Dann hätten die Skontoabzüge wenigsten eine Berechtigung.
Traurig ist, dass Freiberufler sich schwer tun, sich selbst zu vermarkten und auf einen Personaldienstleister angewiesen sind. Das bedeutet doch auch, dass ein Teil seines Einkommens an den Personaldienstleister weitergegeben werden muss.
Marketing ist erschwert und viele Unternehmen suchen nicht über das Internet nach Dienstleister, weil das Angebot oft zu groß und die Qualität nicht nachvollziehbar ist.
Wenn ich mir überlege, dass sich dann auch ein Freiberufler noch gegen Ausfälle versichern muss, kommt er auch auf ein Honorar, das einem Dumpinglohn gleichgesetzt werden kann.
Wichtig ist es hier, dass für Honorare bereits nach einem Monat die Rechnung gestellt werden kann. Zudem sollte sich kein Freiberufler von einem Hauptauftraggeber abhängig machen.
Sich nicht von einem Hauptkunden abhängig zu machen ist eine tolle Empfehlung, leider aber kaum umsetzbar.
Teilzeitprojekte sind auf dem Markt kaum zu bekommen und bei einem Projekt von 2 Jahren Dauer ist auch kein Kunde erfreut, wenn man sich alle paar Monate mal für 2 Monate ausklingt um ein anderes Projekt dazwischen zu schieben.
Leider ist es in Deutschland ja so, dass kaum ein Endkunde direkt sucht, sondern alles über Vermittler läuft. Da gibt es dann wenig Spielraum für vertragliche Gestaltungen.
Vielfach werden Freiberufler mit Zeitarbeitern gleichgesetzt. Ich habe schon Verträge bekommen, wo ich für Dienstleistungen 2 Jahre vor Ort Garantie geben soll, gleichzeitig aber bei Projektende alle Sourcen und Unterlagen abgeben soll und das ganze mit Vertragsstrafen von 40.000 Euro „garniert“ und das bei einem Stundensatz von 45 Euro inklusive Reisekosten und Spesen.
Zum Glück musste ich bisher so einen Vertrag nicht annehmen.
Hoffentlich wacht die deutsche Industrie bald mal auf und lässt Die Vermittler aussen vor. Es wird dann teilweise erheblich günstiger und fûr den Freiberufler dennoch lohnenswerter. Ich habe schon Vermittler elrlebt, die haben tatsächlich 200% auf meinen Stundensatz aufgeschlagen und erhalten.
Mit freundlichen Gruessen Dirk Quasdorf