Der Einsatz von Open Source Software (OSS), auch als Bestandteil von propietärer Software, nimmt immer mehr zu. Daher sollen im Folgenden die rechtlichen Risiken und Lösungswege bei der Verwendung von OSS aufgezeigt werden. Der vorliegende, zweite Teil unserer Serie beschäftigt sich mit der Frage, wie verhindert werden kann, dass der IT-Freelancer bei Verwendung von OSS gezwungen wird, auch seine Eigenentwicklung als OSS zu vertreiben.
Verpflichtung zur Offenlegung des Quellcodes eigener Entwicklungen
Die General Public License (GPL) V.2 stellt nur Anforderung an die Vervielfältigung und Verbreitung („distribution“). Für die Nutzung der Software sieht die V.2 ausdrücklich vor, dass auch eigene Modifikationen erlaubt sind, für die die GPL nicht gilt, solange die Modifikationen nicht weitergegeben („distributed“) werden. Das gilt sogar für Bearbeitungen, die für einen konkreten Auftraggeber erfolgen. Grundsätzlich hat nach Ziffer 2) b) der GPL V.2, wer die Software oder ein Teil davon verändert, die neue Software insgesamt unter der GPL zu lizenzieren. Damit wäre auch der Quellcode offen zu legen.
Nach Ziffer 5) c) der GPL V.3 hat, wer ein auf dem Programm basierendes Werk erstellt, die neue Software insgesamt unter der GPL zu lizenzieren. Anderenfalls entfällt das Nutzungsrecht an der ursprünglichen Software (und damit auch für davon abgeleitete Software). Diese Klausel jedenfalls in der V.2 ist wohl wirksam bzw. würde eine Unwirksamkeit dazu führen, dass der andere gar keine Rechte hat (Landgericht Frankfurt; LG München 21. Zivilkammer, 7. Zivilkammer und LG Berlin).
Diese Rechtsprechung zur Weiterlizenzierung unbearbeiteter Software – die allerdings noch nicht von höheren Instanzen bestätigt wurde – muss genauso für den Fall gelten, dass die Software bearbeitet wird. Denn die GPL stellt hierfür die gleichen Forderungen auf bzw. sieht die gleichen Folgen vor, nämlich, dass alle Nutzungsrechte verliert, wer unter der GPL lizenzierte und bearbeitete Software ohne die GPL weiterlizenziert, also sich auch nicht verpflichtet, den Quellcode offen zu legen.
Einschränkungen und Rechte für Freelancer bei Open Source Software
Grundsätzlich muss ein IT-Freelancer bei der Veränderung von Open Source Software diese bei der Weiterveräußerung mitsamt den eigenen Änderungen unter die GPL V.2 stellen und den Quellcode offenlegen. Jene, mit dem Geschäftsmodell des IT-Freelancers oft nicht zu vereinbarende, Konsequenz wird aber folgender Maßen eingeschränkt:
Bearbeitete Software muss nach der V.2 nur unter die GPL gestellt werden (und der Quellcode offengelegt werden), wenn es sich bei der Software, die unter der Nutzung von OSS entstanden ist, um eine von OSS „abgeleitete“ Software handelt („derivative work“). In der V.3 heißt es jetzt, das „Gesamtwerk als Ganzes“ müsse lizenziert werden.
Weiter heißt es, die Zusammenstellung mit anderen gesonderten und unabhängigen Werken, die nicht ihrer Natur nach Erweiterungen des betroffenen Werks und nicht mit ihm in einer Weise kombiniert sind, um ein größeres Programm zu bilden („Aggregat“), wirke sich nicht auf die Lizenzbedingung aus. Hier ist die Rechtslage noch vollkommen unklar. Nach Auffassung im Schrifttum hat sich im Wesentlichen nichts zur V.2 geändert (es wird aber diskutiert, ob die jetzt noch unverständlichere Regelung zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel führt).
Da für Open Source Software noch die V.2 gilt, ist entscheidend, ob es sich bei der vom IT-Freelancer neu erstellten Software um ein „derivative work“ handelt.
- Bloße Systemaufrufe führen nicht zu einem abgeleiteten Werk, z.B. wenn Anwendungsprogramme, die mit OSS geliefert werden, auf den Kernel zugreifen (die Applikation muss aber wohl den Bedingungen genügen, denen die Programmbibliothek, z.B. die Bibliothek „glibc“, unterliegt).
- Inhaltlich selbständige Softwarebestandteile, deren Vertrieb nicht selbständig erfolgt, unterliegen nicht der GPL. Es muss inhaltlich und funktional bewertet werden, ob ein Softwaremodul eine eigenständige Einheit ist, der selbständige und unabhängige Funktionen zukommen.
- Ein Indiz soll sein, ob die Software nur mit dem GPL-Programm zusammen lauffähig ist. Ob man das auch bei Linux so sehen kann, ist wegen der Eigenschaft als Betriebssystem fraglich.
- Die Gerichte werden vermutlich auf die üblichen Auslegungsmethoden zurückgreifen, also beurteilen, wie der objektive, neutrale und fachkundige Betrachter die entsprechende Formulierung in der GPL verstehen dürfte. Das heißt, dass so, wie der (neutrale!) Entwickler die GPL in diesem Punkt versteht, auch ein Richter diese anwenden wird.
Grundsätzlich dürfte daher gelten, dass es sich dann um ein selbständiges Programm handelt, das nicht auch der GPL unterstellt werden muss und dessen Quellcode nicht offengelegt werden muss, wenn ein objektiver, neutraler Entwickler das Programm als selbständig ansehen würde. Um aber möglichst auf der sichereren Seite zu sein, sollten jedoch auch hier die oben genannten Maßnahmen eingehalten werden.