Vorratsdatenspeicherung ist ein interessantes Phänomen. Erst durch den technischen Fortschritt ist das massenweise, systematische Sammeln und Speichern von Daten, speziell privater Natur, durch Dritte überhaupt möglich geworden, sowohl für Regierung als auch Konzerne. Im Zuge dessen sehen viele Menschen die Freiheit, die Privatsphäre des Individuums, bedroht durch ebendiese Möglichkeiten, die sich für genannte Organisationen durch den technischen Fortschritt und speziell das Internet erst ergeben haben.
Die alte Richtlinie
Unter dem Zeichen 2006/24/EG veröffentlichte die Europäische Union im April 2006 eine Richtlinie, die als Ziel die Vereinheitlichung von gesetzlichen Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung bei den Mitgliedern der EU hatte.
Inhaltlich war die Bestimmung von Anfang an großer Kritik ausgesetzt. Die betreffenden Staaten wurden dazu angehalten, möglichst schnell Gesetze zu erlassen, die die Speicherung und eventuelle Benutzung bestimmter Daten für mindestens sechs Monate und höchstens zwei Jahre erlauben sollte. Einbezogen waren in dieser Richtlinie hauptsächlich solche Daten, die Informationen zum Standort von Individuen liefern können. Inhalte von E-Mails oder anderen Nachrichten und Gesprächen waren hiervon also ausgeschlossen.
Revision durch den Europäischen Gerichtshof
Traf die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung zumindest in Deutschland anfangs auf recht taube Ohren und relative Gleichgültigkeit in der Öffentlichkeit, nahm die Diskussion mit den Jahren immer mehr Fahrt auf und erreichte spätestens durch die Veröffentlichungen Edward Snowdens im Jahr 2013 ihren Höhepunkt.
Im April diesen Jahres, also etwa acht Jahre nach der ursprünglichen Erlassung der Richtlinie, wurde diese vom Europäischen Gerichtshof revidiert. Als Begründung wurden die besonders schweren Eingriffe in das Grundrecht angeführt, die Richtlinie verstoße also gegen EU-Recht. Die langfristige Speicherung privater Daten ohne begründeten Strafverdacht ist dementsprechend unvereinbar mit geltenden Gesetzen, zumindest vorläufig haben Datenschützer in dieser Richtung einen Sieg davongetragen.
Medaille mit zwei Seiten
Bei der Frage der Vorratsdatenspeicherung wird es wahrscheinlich immer zwei Lager geben, beide mit nachvollziehbaren Argumenten. Worauf legt eine aufgeklärte Gesellschaft mehr wert? Den priorisierten Schutz des Einzelnen, unter Umständen auch mit dem Risiko eines daraus entstehenden Schadens für andere oder die Entwicklung hin zu einem überwachten Staat, der eventuell scheinbare Sicherheit garantiert, aber auf konstante Beobachtung und Misstrauen setzt?
Erleichtert wird durch diese Revision auch das weitere Vorgehen der EU-Mitgliedsstaaten. Diese sahen sich aufgrund von Konflikten mit der eigenen Gesetzeslage zum Teil in einem Dilemma, da sich eine einheitliche Einführung der Richtlinie mit den geltenden nationalen Rechten zumindest zum Teil als unmöglich darstellte.
Aktuelle Entwicklung
Anfang September gab es einen neuerlichen Vorstoß in Sachen Vorratsdatenspeicherung auf europäischer Ebene. Hierbei ging es um die Fluggastdatensammlung, betrifft also die gesamteuropäische Sammlung von „Passenger Name Records“-Daten. Die Zusammenarbeit soll die Aufspürung von zurückkehrenden mutmaßlichen Terroristen erleichtern und europaweit unterstützen. Angedacht ist eine anonymisierte Speicherung der Daten für fünf Jahre, die Durchsetzung dieser Pläne würde allerdings nicht unbedingt der vorgegebenen Richtung des EG-Urteils aus dem April entsprechen und traf auch schon auf einige Kritik Abgeordneter aus europäischen Mitgliedsstaaten.
Die Zukunft wird zeigen, wie das europäische Parlament und in Folge dessen die europäischen Mitgliedsstaaten mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs umgehen werden. Außer Frage steht, dass der Konflikt weiterhin auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene geführt wird. Von entscheidender Bedeutung wird eine transparente Diskussion der Vorratsdatenspeicherung sein, die Wert legt auf eine Balance zwischen Privatsphäre und Vorsichtsmaßnahmen.