Haben Sie das schon erlebt? Der Stress lässt objektiv nach – z.B.: weniger Reisen, weniger Abgabetermine – und trotzdem fühlen Sie sich stärker gestresst? Das passiert genau dann, wenn Ihre bisherigen Zeitmanagement-Strategien nicht mehr passen. Umgekehrt natürlich auch, denn mit der richtigen Strategie können Sie zwar die Arbeitsmenge nur wenig reduzieren, aber zumindest doch das Gefühl behalten, alles im Griff zu haben.
Zeitmanagement besteht nicht nur aus Messungen und Entscheidungen, sondern wird stark bestimmt durch die Randbedingungen, die gegeben sind, und eine Strategie, die Sie sich wählen. In meinen Berufen hatte ich meistens mindestens zwei verschiedene Situationen, z.B. je nachdem, ob gerade viele Reisen zu unternehmen waren oder ich hauptsächlich im Büro arbeitete, ob ich gerade als Beraterin arbeitete (in der frühen Projektphase) oder als Testerin (gegen Projektende). Diese Randbedingungen bestimmen nicht nur, wie viel Zeit man anteilig mit verschiedenen Tätigkeiten verbringt, sondern auch, wie man sich optimal organisieren sollte.
Wo mache ich was
Bei der Arbeit im Büro oder im vollständig ausgestatteten Home Office stehen einem alle technischen und sonstigen Möglichkeiten zur Verfügung. Bei der Frage: „Was arbeite ich als nächstes?“ kann man aus allen anstehenden Aufgaben frei bzw. nach umfeldunabhängigen Kriterien auswählen wie z.B. Dringlichkeit. Unterwegs kann man je nach Umgebung mehr oder weniger sinnvoll arbeiten. Drucken ist meistens kompliziert, aber auch das Eintippen von Notizen verlangt meist mehr Ablagefläche als im Zug verfügbar ist. Manches kann ich auch darum nicht unterwegs bearbeiten, weil vertrauliche Daten wie Hausarbeiten, Rechnungen und Kassenbuch aus Datenschutzgründen nicht auf meinem Schulungs-Laptop herumreisen. Telefonate lege ich üblicherweise auch ins Büro, weil man unterwegs nie so wirklich weiß, wann man ankommt und ob dort die Verbindung klappt bzw. wer dann zuhört. Ich habe auch schon eine Telefonkonferenz in der Hotellobby abhalten müssen, weil im Zimmer das WLAN zu schlecht war. Das ging nur so lange gut, bis sich am Tisch nebenan eine Reisegruppe fröhlich lärmend zusammen fand. Unterwegs kann ich am besten lesen und schreiben (tippen), aber auch Brainstorming lässt sich gut im Zug erledigen. Im Hotelzimmer sind die Bedingungen ein wenig günstiger als im Zug oder am Bahnhof.
Sinnvolles Priorisieren
Zu Zeiten, wo ich viel unterwegs bin und wenig im Büro, führe ich wegen solchen Einschränkungen zwei Aufgabenlisten: Die eine enthält diejenigen Aufgaben, die ich nur im Büro oder zumindest nur dort effizient erledigen kann. Alles andere kommt auf die Unterwegs-Liste. Dort steht das, was ich in Zug und Hotel bearbeiten kann. Zu den Büro-Aufgaben gehört dann auch die Vor- und Nachbereitung dieser Unterwegs-Aufgaben, beispielsweise das Heraussuchen der Bücher, die ich unterwegs lesen will, oder das Ausdrucken, Versenden bzw. Hochladen von Arbeitsergebnissen an ihren Bestimmungsort.
Für die Priorisierung wende ich unterwegs und zu Hause verschiedene Strategien an. Die Büro-Liste arbeite ich an jedem Home Office Tag so weit wie möglich vollständig ab. Da es sich vorwiegend um 10-Minuten-Kleinigkeiten handelt, ist das bei konzentriertem Durchpauken möglich. Falls ich an einem dieser seltenen Tage im Home Office noch zusätzliche Zeit finde, kann ich noch eine der Unterwegs-Aufgaben erledigen. Hier priorisiere ich diejenigen Aufgaben hoch, nach deren Erledigung ich ein paar schwere Bücher aus meinem Gepäck entfernen kann, oder wo ohnehin am nächsten Home Office Tag noch umfangreiche Nacharbeiten im Büro nötig wären. Dadurch entlaste ich die Reise oder den folgenden Bürotag. Die Priorisierung erfolgt also nach ganz anderen Kriterien als in Phasen, in denen ich vorwiegend im Büro arbeite.
Unterwegs priorisiere ich die Aufgaben auf der Unterwegs-Liste nach Fertigstellungstermin, wie sonst im normalen Bürobetrieb auch: Dringendes wird zuerst erledigt. Die Wichtigkeit spielt keine Rolle beim Festlegen der Umsetzungsreihenfolge, sondern bestimmt die Gründlichkeit und den Aufwand, den ich auf ein Arbeitsergebnis verwende.
Gestresst im Home-Office
Doch jede Reisephase geht auch (vorübergehend) zu Ende. Zum Beispiel um Weihnachten, Ostern und um die Sommerferien herum sinken der Bedarf an Schulungen, das Angebot an Tagungen und die Möglichkeiten für Arbeitstreffen. Und dann muss ich auch mein Zeitmanagement wieder anpassen. Als das letzte Mal die Reisedichte nachließ, stellte ich erstaunt fest, dass ich mich überraschend gestresst fühlte bei all dieser Home Office Ruhe, weil mein auf Reisen optimiertes Zeitmanagement mich nun im Stich ließ. Bei einem einzigen Reisetag pro Woche schaffte ich die Unterwegs-Aufgaben nicht mehr rechtzeitig zum Abgabetermin und musste mich darauf umstellen, auch zu Hause produktiv zu arbeiten, statt dort nur zu kommunizieren und zu organisieren. Zwei Listen machten nun überhaupt keinen Sinn mehr und wurden darum zu einer einzigen zusammengelegt. Die vier Aufgaben, die ich auf einem Tagesausflug erledigen konnte, konnte ich auch jeweils auf die Liste für den Tag notieren.
Das Zeitmanagement mit seiner Erfassung und Reflektion der Daten hilft mir immer sehr gut, mir der Ebbe und Flut des Stresses und der verschiedenen Phasen bewusst zu werden und zu sehen, wo eine Routine zeitweise nicht mehr passt. Dann brauche ich eine neue Strategie, d.h. geänderte Auswahlkriterien dafür, woran ich wann, wo und mit welcher Priorität arbeite.
Ein Kommentar
Mich bringt es auch immer durcheinander, wenn sich durch die äußeren Umstände meine Arbeitsweise ändert und ich dadurch meine Routine anpassen muss. Hilfreich finde ich in diesem Zusammenhang die vielen Werkzeuge, die es inzwischen gibt, wie Trello, Toodledo, insight.ly und viele mehr. Bei den meisten kann man Kontext anlegen (Unterwegs, Office, Home, etc), sowie Deadlines, Prioritäten, etc., was es leicht macht, für die Umstände, in die man gerät, etwas passendes zum Arbeiten zu finden. Natürlich nur, wenn die Listen regelmäßig gepflegt werden. 🙂