Es ist schon tricky mit der Positionierung: Das eigene Profil muss spitz genug sein, um in den Markt einzudringen, gleichzeitig breit genug, damit es ausreichend mögliche Kunden gibt. Wie finde ich als Freiberufler eine Positionierung, die zu mir passt und die vom Markt gut angenommen wird?
Wer ausschließlich linkshändige rothaarige Kaninchenzüchter mit litauischer Abstammung als Zielgruppe hat, findet nicht genug Kunden. Wer dagegen „mittelständische Unternehmen“ als Zielgruppe benennt, kann sich als Einzelner eventuell in der Vielfalt der Unternehmen verlaufen.
Und, egal ob spitz, ob breit, das Profil muss natürlich für die Zielgruppe attraktiv sein. Auch wenn ich noch so großartig Zinnsoldaten auf meiner Nase balancieren kann oder simultan von Akkadisch nach Altägyptisch übersetzen kann, dafür gibt es halt keinen Markt.
Wie finde ich nun eine Positionierung, die zu mir und zum Markt passt?
Der folgende Ansatz arbeitet mit 3 Faktoren:
- Intensität der Nachfrage der Auftraggeber: Wie stark ist die Nachfrage nach dieser Leistung oder Fähigkeit?
- Mitbewerb für ebendieses Angebot: Wie viele andere können das auch bzw. können sehr zeitnah Vergleichbares anbieten?
- Glaubwürdigkeit: Wie glaubwürdig bin ich mit dieser Leistung oder Fähigkeit?
Dafür geben Sie jeweils 0 bis 4 Punkte.
Sie brauchen eine Tabelle mit 5 Spalten: Angebot / Nachfragestärke / Mitbewerb / Glaubwürdigkeit / Ergebnis
In die erste Spalte schreiben Sie das, was Sie anbieten können. Dort sollten ca. 10-15 Punkte stehen. Bedenken Sie bitte, hier zählen nicht nur „fachliche“ Qualifikationen. Hier zählt alles, was einem Arbeitgeber wirklich nützen kann.
Können Sie besonders klar kommunizieren? Wenn Sie das wirklich können und nicht nur glauben, weil Sie nie jemanden gefragt haben – wenn Sie es wahrhaftig können – dann gehört das auch hierhin.
Wenn Sie Kinder aufgezogen haben – speziell mehr als eines, und wenn Sie die Kinder bewusst aufgezogen haben und nicht dem Fernseher den Job überlassen haben – dann können Sie auch gut organisieren.
In den darauf folgenden 3 Spalten bewerten Sie die Kategorien mit 0-4 Punkten, wie im Folgenden erläutert.
Nachfragestärke
Wie stark ist die Nachfrage möglicher Auftraggeber nach diesem Nutzen?
- Ist den Auftraggebern egal: 0 Punkte
Dies wären zum Beispiel meine Kenntnisse in einer Software, die niemand mehr benutzt oder die Tatsache, dass ich nicht ganz 100 Songs geschrieben habe, von denen meine Freundin 3 gut findet. Ist in meinem Bereich, Controlling, nicht so wichtig. - Ist ein nice-to-have: 1 Punkt
Ich habe im Controlling mit ADDISON und tsenit gearbeitet: Wird von manchen benutzt, ist ganz nett, zeigt Flexibilität. Aber nicht so dringend wichtig. - Interessant genug, um manchmal jemanden deswegen anzuheuern: 2 Punkte
Kenntnisse in MS Access sind in manchen Controlling-Projekten hilfreich, in anderen egal. - Sehr interessant: 3 Punkte
Im Controlling sind dies z.B. SAP-User-Kenntnisse, die über den Durchschnitt hinausgehen oder auch wirklich solide Kenntnisse in VBA. - Geradezu zwingend: 4 Punkte
4 Punkte bedeutet, Auftraggeber suchen händeringend nach Personen, die so etwas können. Im Controlling sind dies z.B. Fähigkeiten im Konfigurieren von SAP, jedenfalls zur Zeit (Mai 2017).
Mitbewerb
Wie viele Mitbewerber können das auch bzw. können dies schnell erlernen? Erfahrungsgemäß ist diese Frage oft schwer zu beantworten.
Ich erlebe es sehr oft, dass Menschen sich für wunderbar und einzigartig in etwas halten, das 10% aller Menschen ganz gut können. Andererseits unterschätzen manche auch ihren Wert.
Wie kann ich diese Frage nun beantworten? Ich kann in meinem Arbeitsbereich herumfragen. Eventuell gibt es verlässliche Studien und Statistiken.
Wie vergebe ich die Punkte?
- Kann jeder, zumindest jeder in meinem Bereich: 0 Punkte
Im Controlling wären dies z.B. Grundkenntnisse in Excel. - Die meisten meiner Mitbewerber bieten es nicht an: 1 Punkt
So können z.B. die meisten meiner Mitbewerber nicht so gut Englisch, jedenfalls nicht so gut wie ich. - Können einige meiner Mitbewerber, aber nicht so viele: 2 Punkte
Das wäre für mich etwa VBA in Excel auf niedrigem Niveau. - Die meisten Mitbewerber können es nicht: 3 Punkte
In meinem Fall z.B. Spanisch, VBA auf höherem Niveau und SAP-Key-User-Kenntnisse.
Können nur ganz wenige: 4 Punkte
Z.B. SAP-Konfiguration
Glaubwürdigkeit
Wie gut kann ich glaubhaft machen, dass ich den angegebenen Nutzen auch wirklich bieten kann? Behaupten kann ich ja viel.
Kann ich Referenzen vorweisen? Habe ich Zeugnisse, die etwas aussagen?
- Ich glaube einfach, dass ich es kann: 0 Punkte
Glauben ist nicht ausreichend. - Ich habe ein Zeugnis oder eine Referenz – oder ich kann zumindest im Vorstellungsgespräch beweisen, dass ich es kann: 1 Punkt
Ein Zeugnis, eine Referenz allein, das ist besser als reiner Glaube. - Ich habe mindestens 2 schriftliche Referenzen: 2 Punkte
Papier belegt mehr. - Ich habe mehrere schriftliche Referenzen und mehrere Personen, die meine Fähigkeiten persönlich oder telefonisch bestätigen: 3 Punkte
- Ich habe seit mehreren Jahren zum Thema publiziert und diverse qualifizierte Stellungnahmen, die besagen, dass ich die Theorie umfassend beherrsche und praktisch umsetzen kann: 4 Punkte
Auswertung
Nachdem Sie die Werte für Ihre verschiedenen Angebote vergeben haben, multiplizieren Sie nun die Werte in den 3 Spalten. Der Maximalwert ist demnach 64, der zweithöchste 48.Nun nehmen Sie die Nutzenangebote mit den höchsten Werten und überprüfen Sie noch einmal Ihre Punktevergabe. Wenn alles stimmt, haben Sie die Nutzen identifiziert, die speziell Sie besonders attraktiv machen.
Damit können Sie sich besonders gezielt bei den Unternehmen bewerben, denen genau diese Nutzen am wichtigsten sind.
Wie Sie sich denken können, wie Sie Ihre einzelnen Angebote bewerten, hat natürlich mit Ihrem Markt zu tun. Was auf dem einen Markt brennend wichtig ist, ist auf einem anderen irrelevant.
Viel Erfolg!