Seit dem 17. Mai 2010 müssen selbstständige Dienstleister ihre Auftraggeber noch vor der Zusammenarbeit u.a. darüber informieren, dass sie eine Berufshaftpflichtversicherung besitzen. Das ist den meisten IT-Freiberuflern nicht bekannt, wie eine aktuelle Umfrage von SOLCOM ergab. Von insgesamt 229 Befragten haben 74,9 Prozent noch nie etwas von der so genannten Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung (DL-InfoV) gehört. Sie ist die gesetzliche Grundlage dieser neuen Regelung.
Die DL-InfoV wurde aufgrund einer europäischen Richtlinie umgesetzt und soll mehr Transparenz bei Dienstleistungen schaffen. Erreicht werden soll dies durch viele Informationen, die Dienstleister ihren Kunden offen zur Verfügung stellen müssen. Dazu zählen unter anderem Angaben wie Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), anwendbares Recht, Gerichtstand, besondere Garantien (soweit vorhanden), wesentliche Merkmale der Dienstleistung sowie das Bestehen und der räumliche Geltungsbereich einer Berufshaftpflichtversicherung – im Falle des IT-Freiberuflers die IT-Haftpflichtversicherung
Schadenpotenzial bekannt, aber trotzdem nicht versichert
Alle diese Informationen müssen Freiberufler ihren Kunden vor Vertragsschluss ungefragt zugänglich machen, beispielsweise über die eigene Website. Hat der Freiberufler jedoch keine IT-Haftpflichtversicherung abgeschlossen, muss er dazu auch keine Angaben machen. Das betrifft die meisten der von SOLCOM befragten IT-Freelancer: 49,1 Prozent von ihnen besitzen weder eine allgemeine Betriebshaftpflicht noch eine spezielle IT-Haftpflichtversicherung.
Sie planen auch nicht, an diesem Umstand etwas zu ändern. Obwohl ihnen durchaus bewusst ist, dass sie im Schadenfall mit ihrem Privatvermögen haften: 56,4 Prozent der befragten IT-Freiberufler sehen im Schutz des eigenen Vermögens den größten Vorteil einer IT-Haftpflichtversicherung. Woran mag es aber liegen, dass sie dennoch keine Haftpflichtversicherung abschließen?
Tatsache ist, dass sich im IT-Projektmarkt so einige Irrtümer über die rechtliche Haftungssituation von IT-Freiberuflern und Selbstständigen verbreitet haben und hartnäckig halten.
Bei ihrer Haftungssituation befinden sich Freiberufler oft im Irrtum
So stehen IT-Dienstleister vielfach auf dem Standpunkt, ihre AGB schließen die Haftung generell aus. Die Praxis zeigt jedoch, dass Haftungsausschlüsse oder Begrenzungen in den Geschäftsbedingungen im Fall der Fälle einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten, weil man quasi die gesetzliche Haftung nicht pauschal „umgehen“ kann.
Dies gilt besonders bei Ausschluss der Haftung für grobe Fahrlässigkeit sowie wesentlicher Vertragspflichten wie zum Beispiel:
- Funktionieren einer Software
- Erfolg einer Dienstleistung
- Verwendbarkeit einer Software für einen bestimmten vertraglich vereinbarten Zweck
- uneingeschränkte Nutzung von Dienstleistungen oder Waren
(Stichwort: Rechtsverletzungen)
Wird eine AGB-Klausel für unwirksam erklärt, gilt die unbegrenzte Haftung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Dennoch empfehlen sich AGB zur umfassenden Regelung der Geschäftsbeziehung mit dem Vertragspartner (z.B. Zahlungsziele, Gerichtsstand, Haftung, Nutzungsrechte etc.). Eine spezialisierte IT-Haftpflichtversicherung können sie im Bereich der Haftung jedoch nicht ersetzen.
Schadenersatzansprüche auch bei Dienstverträgen gültig
Ebenfalls zu den Irrtümern gehört die Ansicht, der IT-Freiberufler müsse aufgrund des geschlossenen Dienstvertrages (verbreitete Vertragsgestaltung im IT-Projektgeschäft) nicht für Schäden haften wie etwa bei einem Werkvertrag. Fakt ist: Bei einer so genannten Schlechtleistung des IT-Freelancers hat der Auftraggeber ebenfalls Anspruch auf Schadenersatz. Hier unterscheidet sich der Dienstvertrag nicht vom Werkvertrag.
Zu den Schlechtleistungen zählen etwa:
- falsche Beratung in einem IT-Projekt
- Programmierfehler
- Datenverlust durch einen Fehler bei der Serverwartung
- fahrlässige Übermittlung eines Virus auf das System des Auftraggebers
- unterlassene Hinweise an den Auftraggeber bei Fehlern im Projekt oder
- Verstöße gegen Vertraulichkeit und Datenschutzverpflichtungen
Der Auftraggeber kann bei einem bestehenden Dienstvertrag zwar nicht eigenmächtig die Bezahlung verringern (Minderung), er kann aber sehr wohl seinen Anspruch auf Schadenersatz mit der Vergütung aufrechnen. Ferner ist es dem Auftraggeber möglich, im Falle einer Schlechtleistung den Dienstvertrag nach § 626 BGB außerordentlich zu kündigen.
Mitversicherung über Auftraggeber birgt viele Unsicherheiten
Der Dienstvertrag befreit freiberufliche IT-Experten also nicht per se aus der Haftung. Genauso wenig wie pauschale Aussagen von Projektvermittlern oder Kunden, der Freiberufler sei über sie mitversichert. Generell ist die Mitversicherung als Freiberufler über den Versicherungsvertrag des Auftraggebers überaus kritisch zu betrachten.
Versicherungen definieren den IT-Freelancer teilweise als Subunternehmer und teilweise als freien Mitarbeiter – meist mit dem Zusatz: „in den Geschäftsbetrieb des Versicherungsnehmers (VN) eingebunden“. Bei den meisten Versicherern gehören jedoch, sofern das in den Versicherungsbedingungen überhaupt explizit geregelt ist, nur die „freien Mitarbeiter“ zu den mitversicherten Personen und können damit von der Versicherung des Auftraggebers, wie auch andere fest angestellte Mitarbeiter, nicht in Regress genommen werden.
Subunternehmer gehören jedoch generell nicht zu den „mitversicherten Personen“ und können daher vom Versicherer nach der Schadenabwicklung in Regress genommen werden. Der Knackpunkt: Meist gibt es keine Definition der Versicherer, wer letztendlich als freier Mitarbeiter oder als Subunternehmer zu bewerten ist. Dadurch besteht im Schadenfall natürlich die Gefahr, dass der Versicherer im Zweifelsfall den IT-Freiberufler in Regress nimmt.
Problematisch ist außerdem, dass der Freiberufler in aller Regel keine Kenntnis über den tatsächlichen Vertragsinhalt hat, solange ihm nicht eine Kopie des Versicherungsvertrages und der Versicherungsbedingungen vorgelegt wird. Folglich hat er keine Möglichkeit, Schäden direkt mit dem Versicherer abzuwickeln, da er selbst nicht der Versicherungsnehmer ist. Das heißt, die „Vertragshoheit“ liegt beim Auftraggeber und ist von seiner Mitwirkung abhängig.
IT-Freiberufler sehen Vermögensschaden als größtes Haftungsrisiko
Damit hat der IT-Freiberufler nur selten Kenntnis davon, ob und in welchem Umfang die durch ihn erbrachte externe IT-Dienstleistung – und im Besonderen die in seinem Berufsumfeld häufig auftretenden, echten Vermögensschäden – vom Versicherungsumfang umfasst ist. In Vermögensschäden sehen auch 74,3 Prozent der von SOLCOM befragten Freelancer, und damit der Großteil von ihnen, ihr größtes berufliches Haftungsrisiko.
Ein echter Vermögensschaden liegt immer dann vor, wenn durch ein schuldhaftes Verhalten des Dienstleisters dem Kunden oder Auftraggeber ein finanzieller Schaden entsteht. Zum Beispiel durch Programmier- oder Beratungsfehler, Datenverlust oder Sicherheitslücken. Resultieren die finanziellen Nachteile des Auftraggebers dagegen aus einem Personen- oder Sachschaden, dann handelt es sich um einen unechten Vermögensschaden.
Viele Freiberufler und Selbstständige gehen davon aus, dass Vermögensschäden im Rahmen einer herkömmlichen Betriebshaftpflichtversicherung gedeckt werden. Das ist ebenfalls ein gefährlicher Irrtum. Die Betriebshaftpflicht schützt im Allgemeinen nur vor Personen- und Sachschäden und sich daraus ergebenden Folgeschäden, nicht aber vor echten Vermögensschäden.
Wer seine beruflichen Risiken als Selbstständiger umfassend versichern möchte, sollte deshalb eine Versicherung wählen, die eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung mit einer Büro- und Betriebshaftpflichtversicherung kombiniert.
10 Tipps für die Auswahl einer passenden Versicherung für IT-Freiberufler
1. Eine bedarfsgerechte IT-Haftpflichtversicherung umfasst neben Personen- und Sachschäden auch reine Vermögensschäden aus der beruflichen bzw. gewerblichen Tätigkeit.
2. Die Versicherungssumme (auch Deckungssumme genannt) für Vermögensschäden sollte mindestens 500.000 Euro betragen.
3. Die IT-Haftpflichtbedingungen sollten dem „Allrisik-Prinzip“ folgen und alle typischen Haftungsrisiken von Freiberuflern und Selbstständigen decken. Dadurch sind alle Risiken versichert, die nicht definiert in den Bedingungen ausgeschlossen sind.
4. Die versicherten IT-Tätigkeiten und Dienstleistungen sollten in der Police als „offene Deckung“ definiert sein. Damit sind alle Tätigkeiten eines IT-Experten in unterschiedlichen Projekten durch Vermeidung einer abschließenden Aufzählung versichert. Neue Tätigkeiten müssen nicht nachgemeldet werden.
5. Rechtsverletzungen Dritter wie Urheberrechtsverletzungen, Lizenz-, Marken-, Namens-, Persönlichkeits-, und Datenschutzrechtsverletzungen sollten unbedingt eingeschlossen sein, ohne den Versicherungsschutz von einer vorherigen Prüfung durch Anwälte abhängig zu machen.
6. Der Versicherungsschutz sollte prinzipiell auch dann gelten, wenn der Versicherte grob fahrlässig handelt. Dies gilt besonders für Rechtsverletzungen.
7. Ein Schadenersatz durch Überschreitung von Deadlines und sonstige Leistungsverzögerungen sollte in jedem Fall mitversichert sein.
8. Die Versicherung sollte neben der gesetzlichen Haftung auch bestimmte Ansprüche im Bereich der vertraglichen Haftung übernehmen wie z.B. Schadenersatz aufgrund der Nichterfüllung oder Schlechterfüllung einer vertraglichen Leistungspflicht.
9. Die Versicherungsbedingungen sollten keine „Rückzugsmöglichkeiten“ wie die so genannte Experimentier- und Erprobungsklausel oder die „Stand der Technik Klausel“ enthalten, damit der Versicherer die Leistung nicht aufgrund unzureichender bzw. nicht angemessener (Programm)Tests verweigern kann.
10. Der räumliche Geltungsbereich der Versicherung sollte mindestens für Europa und die Schweiz gelten. Je nach Tätigkeitsschwerpunkt sollte die IT-Haftpflichtversicherung auch einen weltweiten Versicherungsschutz anbieten.
Ein Kommentar
Dennoch ist es keine Pflichtversicherung!