Der Weg in die Selbstständigkeit ist mit viel Vorarbeit und Klärungsprozessen gepflastert. So sollte unter anderem geklärt werden, ob man als Freiberufler oder als Gewerbetreibender einzustufen ist. Denn das hat erhebliche Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung durch das Finanzamt – und damit finanzielle Folgen.
Ein Blick ins Gesetzbuch hilft dem juristischen Laien oft nur ansatzweise weiter – für eine wirklich realistische Einschätzung taugt er nicht zwingend. Damit Freiberufler sich in dieser Frage nicht auf allzu schwankendem Boden bewegen müssen, hat das Institut für Freie Berufe (IFB) in Nürnberg schon 2006 ein Schema zur ersten Einordnung veröffentlicht. Dieses Schema basiert zum einen auf § 18 des Einkommenssteuergesetzes (EStG), dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG), § 1 Abs. 2, und einem vom IFB erarbeiteten Fragenkatalog mit 17 Fragen. Damit ist eine erste eigene Einschätzung – Freiberufler oder nicht – möglich.
Freiberufler laut Gesetz?
Das EStG unterscheidet im §18 Abs. 1,1 drei freiberufliche Tätigkeitsgruppen: Katalogberufe, ähnliche Berufe und Tätigkeitsberufe. Fallen Sie unter eine dieser Kategorien, Sie gelten als Freiberufler. Vorteil: Für Sie fällt in der Regel keine Gewerbesteuer an, und auch auf eine Anmeldung als Gewerbe können sie verzichten.
Allerdings: Eine förmliche Anerkennung als Freiberufler durch die Finanzbehörden gibt es nicht. Sie müssen stattdessen ihre Freiberuflichkeit nachweisen. Das ist möglich über Referenzen, Zeugnisse und Verträge mit Auftraggebern. Zudem muss der Arbeitsschwerpunkt im Katalogberuf beziehungsweise in den Katalogberufen ähnlichen Bereichen liegen.
Alte Schubladen für neue Inhalte
Machen wir uns nichts vor: Die meisten Berufe im IT-Bereich sind vom Paragrafen 18 des EStG nicht abgedeckt. Die neuen Berufe der Branche passen einfach nicht in die alten Schubladen der Finanzämter. Grafiker zum Beispiel fallen als künstlerisch Tätige unter § 18 des EStG, Webdesigner jedoch nicht.
Hilfreich kann folgender Hinweis sein: Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) ist man als Systemanalytiker in der Regel Freiberufler, da dieser Beruf dem eines Ingenieurs ähnlich ist. Auch ein Selbstständiger, der sich mit Systemsoftware beschäftigt, gilt gemeinhin als Freiberufler, nicht jedoch ein Anwendungsprogrammierer.
Es ist wie immer im Verwaltungsapparat: Anstatt die Schubladen zu ändern, müssen immer noch die Gerichte mühsame Einzelfallentscheidungen treffen. Grund genug, sich schon vor dem Schritt in die Selbstständigkeit als Freiberufler Gedanken über dieses Thema zu machen und sich im Zweifel von professionellen Sachverständigen beraten zu lassen.
Der Fragenkatalog des IFB
Neben dem Gesetzestext und den oben genannten Hinweisen dient der folgende Fragenkatalog des IFB zur genaueren Einschätzung:
1. Sind Sie wirtschaftlich selbstständig?
2. Erfüllen Sie Ihre Aufgaben unabhängig von Weisungen?
3. Tragen Sie das unternehmerische Risiko und die Kosten der Arbeitsausführung?
4. Ist Ihre Arbeitszeit nach Dauer, Beginn und Ende durch Auftraggeber bindend festgelegt?
5. Sind Sie unmittelbar in den Arbeitsablauf und die Organisation von Auftraggebern integriert?
6. Können Sie für Ihre Tätigkeit eine besondere berufliche Qualifikation nachweisen?
7. Erbringen Sie geistig-ideelle Leistungen?
8. Besteht zu den Leistungsnehmern ein gegenseitiges und auf Dauer angelegtes Vertrauensverhältnis?
9. Ist dieses Vertrauensverhältnis auf einer freien Wahlentscheidung der Leistungsnehmer begründet?
10. Erbringen Sie die Leistungen persönlich?
11. Sind Sie eigenverantwortlich tätig?
12. Sind Sie in Ihrem Unternehmen leitend tätig?
13. Arbeiten Sie fachlich unabhängig?
14. Sind Sie wissenschaftlich tätig?
15. Sind Sie künstlerisch tätig?
16. Sind Sie schriftstellerisch tätig?
17. Sind Sie unterrichtend und/oder erziehend tätig?
Ein Kommentar
Sehr hilfreicher Artikel danke:
Zwei Schwachstelle, die aber nicht Schuld der Autorin sind:
1. Die Unterscheidung Systemprogrammierer/Anwendungsprogrammierer ist ja schon Jahrzehnte alt wie auch das zitierte Gerichtsurteil. Meines Wissens nach wird das heute nicht mehr so extrem gesehen, denn es gibt diese Unterscheidung ja nicht mehr (wenn es sie je trennscharf gegeben hat).
Was das System und was die Anwendung ist, ist nur eine Frage der Sichtweise auf das Gesamtsystem.
2. Wie so oft, versteckt sich der Knackpunkt etwas.
Dies ist hier „Ähnliche Tätigkeit wie beim Katalogberuf“. Dies ist der Knackpunkt, denn im Prinzip kann ja jeder Richter hier anderer Meinung sein.
Ein Unterschied zwischen Ingenieur und „Entwickler am Computer“ ist m.E. eigentlich nicht mehr gegeben, das Fachgebiet ist allenfalls entscheidend.
Ich habe auch noch nie zwischen Unterschieden zwischen Anwendungs-Ingenieur und System-Ingenieur gehört 🙂
Das widerspricht auch (korrekterweise) der Klassifikation des Anwendungsprogrammierers m.E. Ich glaube nicht, dass jemand einen Unterschied in der Tätigkeit zwischen Anwend./Systemprogrammierer feststellen kann angesichts der real existierenden Entwicklungsumgebungen. Allenfalls kann man versuchen, einen Unterschied im Ziel (System-Anwendung) versuchen herzudefinieren, aber das ist im Prinzip auch nicht seriös möglich.
Fakt ist, keiner möchte juristisch den Nebel wirklich auflösen, weil sich sonst die Anzahl der Freiberufler vervielfachen würde oder andererseits bestehende Freiberufler verärgert werden sollen. Da schafft der Rechtsstatt lieber Nebelbänke der Rechtsunsicherheit auf Jahrzehnte.