Die Abgrenzung von Freiberuflern und Gewerbetreibenden kann schwierig sein. Komplexe steuerliche und rechtliche Fragen ergeben sich insbesondere beim Zusammenschluss zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in Gesellschaften. Fragen zu dem Thema beantwortet der Rechtsanwalt und Steuerberater Dirk Mahler von der Kanzlei ROSE & PARTNER LLP.
Warum ist die Unterscheidung zwischen Freiberufler und Gewerbetreibenden so wichtig?
Weil die Freiberuflichkeit nach wie vor handfeste Vorteile mit sich bringt. Wer selbständig bzw. unternehmerisch tätig wird, will möglichst als Freiberufler gelten um in den Genuss folgender Privilegien zu kommen:
- Keine Gewerbesteuerpflicht. Freiberufler müssen auf ihre Einkünfte keine Gewerbesteuern zahlen. Wie hoch diese Steuerentlastung im Einzelfall ist, kann nicht pauschal beantwortet werden. Die Höhe der Gewerbesteuer ist von Gemeinde zu Gemeinde verschieden. Die Gewerbesteuer ist einerseits nicht (mehr) als Betriebsausgabe absetzbar, wird aber inzwischen stärker bei der Einkommensteuer angerechnet. Gewerbesteuer ist aber überhaupt nur dann ein Thema, wenn die Gewinne mehr als 24.500 Euro (Freibetrag) betragen.
- Keine Bilanzierungspflicht: Freiberufler müssen weder eine handelsrechtliche noch eine steuerrechtliche Bilanz erstellen. Bei ihnen reicht die sogenannte Einnahmenüberschussrechnung (auch 4/3-Rechnung genannt) aus. Das bringt den Vorteil, dass bei der Gewinnermittlung nur die Einnahmen und Ausgaben zu berücksichtigen sind, die in dem entsprechenden Jahr auch tatsächlich gezahlt bzw. eingenommen wurden.
- Keine IHK-Zwangsmitgliedschaft: Alle Gewerbetreibende und im Handelsregister eingetragene Kapitalgesellschaften (z.B. GmbH) sind gesetzlich zur Mitgliedschaft in der örtlichen IHK verpflichtet. Lästig an der IHK-Mitgliedschaft ist in erster Linie der Beitrag, der bei entsprechenden Gewinnen schnell einige hundert Euro beträgt. Die Organisation in der IHK bringt jedoch auch Vorteile z.B. durch Beratungsangebote und die Möglichkeit zur Vernetzung zu Geschäftszwecken.
Wer gilt denn als Freiberufler?
Die Einordnung nach Freiberufler oder Gewerbetreibenden wird vom Finanzamt vorgenommen. Diese Einordnung ist grundsätzlich auch für die IHK bindend, wenn es um die Zwangsmitgliedschaft geht. Laut Gesetz gelten zunächst einmal folgende Berufe als freiberuflich: Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Dozenten, Erzieher, Ärzte (auch Zahn- und Tierärzte), Rechtsanwälte, Notare u.a. Außerdem gelten als freiberuflich solche Tätigkeiten, die den im Gesetz genannten „ähnlich“ sind. Die gängigen Kriterien wie z.B. die „besondere berufliche Qualifikation“, die „schöpferische Begabung“ oder die „persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit“, klingen zwar gut, sind aber nicht immer leicht heranzuziehen. Dies gilt besonders für viele neu entstandene Berufsfelder z.B. im Bereich der neuen Medien oder der Heilberufe. Hier ist der Steuerberater oder auch ein Rechtsanwalt für Steuerrecht gefordert, gegenüber dem Finanzamt oder den Finanzgerichten klug zu argumentieren.
Und wie verhält es sich mit freien Mitarbeitern bzw. Freelancern?
Nicht jeder, der sich frei fühlt oder nennt, ist Freiberufler. Freie Mitarbeiter bzw. Freelancer sind selbständige Beschäftigte ohne Arbeitsverhältnis. Sie können sowohl gewerbetreibend als auch freiberuflich tätig sein. Im Vordergrund steht hier die Problematik der Scheinselbständigkeit. Auch Freie Handelsvertreter sind übrigens in der Regel keine Freiberufler und werden steuerlich als Gewerbetreibende betrachtet.
Steuerberater warnen oft vor einer „gewerblichen Infizierung“. Was ist darunter zu verstehen?
Wie bereits erwähnt, hat es Vorteile, freiberufliche statt gewerbliche Einkünfte zu erzielen. Viele Freiberufler erzielen jedoch beide Arten von Einkünften. Dies trifft z.B. für einen Hautarzt zu, der neben seiner ärztlichen Praxis noch ein Kosmetik-Institut betreibt. Handelt es sich um eine Einzelpraxis, darf der Arzt beide Bereiche getrennt abrechnen und zahlt dann nur für Einnahmen aus dem gewerblichen Institut Gewerbesteuer. Für Gemeinschaftspraxen gilt dies jedoch nicht. Übt eine freiberufliche Sozietät nämlich auch gewerbliche Tätigkeiten in gewissem Umfang aus, führt das nach geltendem Steuerrecht dazu, dass sämtliche Einkünfte der Sozietät „gewerblich infiziert“ werden und der Gewerbesteuer unterliegen. Man spricht auch von der „Abfärberegel“. Alle, die eine freiberufliche Tätigkeit gemeinsam mit anderen in Form einer Personengesellschaft (GbR, Partnerschaftsgesellschaft etc.) ausüben, müssen also auf der Hut sein. Wie hoch die gewerblichen Einkünfte absolut oder anteilig sein müssen, um die freiberuflichen zu infizieren, ist nicht geregelt und hängt vom Einzelfall ab. Der Bundesfinanzhof hat in einer aktuellen Entscheidung die Bagatellgrenze für die Abfärbewirkung von gewerblichen Einkünften auf 3% des Gesamtumsatzes und zusätzlich jährlich 24.500 Euro festgelegt. Unterhalb dieser Grenzen ist die Lage somit entspannt. Insbesondere bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder sollten Sie aber stets vorab Ihren Steuerberater konsultieren, um böse Überraschungen zu vermeiden.
Die Unterscheidung zwischen freiberuflichen und gewerblichen Einkünften ist ja schwierig. Wie bestimmt man, ob ein zusätzliches Geschäftsfeld einer Freiberufler-Sozietät zur gewerblichen Infizierung führen kann?
Die Vielzahl der hierzu vorliegenden Gerichtsurteile zeigt, dass die Abgrenzung hier tatsächlich besonders schwer ist. Hilfreich ist folgender Grundsatz: Nur wenn die gewerbliche Tätigkeit von der freiberuflichen Tätigkeit nicht getrennt werden kann und die freiberufliche Arbeit der gesamten Tätigkeit das Gepräge gibt, soll keine gewerbliche Infizierung vorliegen. Erzielt z.B. eine Sozietät von Rechtsanwälten ihre Einkünfte nicht nur aus Anwaltshonoraren, sondern auch aus Provisionen für an andere Kollegen vermittelte Mandanten, lassen sich diese Tätigkeiten (Rechtsberatung und Mandantenvermittlung) gut trennen. Schon ist eine gewerbliche Infizierung anzunehmen und auch alle Anwaltshonorare unterliegen der Gewerbesteuer. In vielen Fällen lässt sich das Problem durch die Ausgliederung der gewerblichen Tätigkeiten in eine andere Gesellschaft in den Griff bekommen. Dann müssen die beiden Gesellschaften jedoch auch organisatorisch und wirtschaftlich unabhängig voneinander sein.
Wie steht es mit Freiberuflern in der GmbH?
Freiberufler sind regelmäßig allein oder als Gesellschafter in einer Personengesellschaft unterwegs. In haftungsträchtigen Berufen oder zur Erleichterung bestimmter Beteiligungsstrukturen kann es jedoch auch geboten sein, über eine GmbH nachzudenken. Den Wegfall der persönlichen Haftung erkauft man sich dann jedoch mit der zwingenden Gewerbesteuerpflicht. Denn selbst wenn in der GmbH ausschließlich freiberufliche Tätigkeiten ausgeübt werden, sorgt hier die Rechtsform als Kapitalgesellschaft dafür, dass man als Gewerbetreibender eingestuft wird. Eine interessante neue Gesellschaftsform ist hier die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartGmbB). Bei dieser Variante der herkömmlichen Partnerschaftsgesellschaft, können sich bestimmte (nicht alle) Berufsgruppen von Freiberuflern in einer Personengesellschaft zusammenschließen, bei der die Inhaber grundsätzlich nicht mit ihrem Privatvermögen haften und trotzdem nicht gewerbesteuerpflichtig werden. Vor allem bei Rechtsanwälten ist diese noch junge Gesellschaftsform bereits sehr beliebt.