Der Betriebsalltag stellt oft hohe Anforderungen an Freelancer, die in immer wechselnden Projekten tätig sind. Es wird von ihnen vorausgesetzt, kleinere und größere Konflikte, Spannungen, Auseinandersetzungen und Ärger zu bewältigen.
Im zweiten Teil unserer dreiteiligen Serien „Konflikte erfolgreich bewältigen“ erläutert Dipl. Psychologin Jutta Kreyenberg, welche Konfliktstile es gibt und führt verschiedene Konfliktbewältigungsstrategien auf.
Einstellung zu Konflikten
Nach der im ersten Teil von „Konflikte erfolgreich bewältigen“ angeführten Analyse könnte man der Meinung sein, Konflikte lassen sich am besten sachlich und zufriedenstellend lösen, indem sich alle Parteien an einen Tisch setzen. Das ist jedoch aus vier Gründen oft nicht so einfach:
1. Nicht-Lösbarkeit
Nicht bei allen Konflikten ist ein Interessensausgleich möglich, z.B. wenn die Ressourcen / Budgets sehr knapp sind.
2. Einstellungen: Konfliktstile
Meist ist es jedoch möglich, dass alle Seiten gewinnen könnten. Häufig versuchen die Konfliktparteien jedoch auch dann nicht, eine gemeinsame Lösung zu finden. Das liegt daran, dass viele Menschen in spannungsgeladenen Konfliktsituationen negative Erfahrungen gesammelt haben. Bspw. damit übervorteilt zu werden oder sich in Konkurrenzkämpfen bewähren zu müssen.. Daraus entwickeln sich verschiedene Einstellungen zu Konflikten, auch Konfliktstile genannt. Diese Einstellungen haben wesentlichen Einfluss darauf, welche Verhaltensweisen Menschen in Konfliktsituationen bevorzugen. Dabei kann man zwei grundlegende Dimensionen der Einstellung unterscheiden:
- Orientierung an eigenen Zielen (ich gewinne)
- Orientierung an der Beziehung (du gewinnst)
Aus der Kombination dieser beiden Dimensionen ergeben sich fünf grundlegende Konfliktstile, die im Konfliktfall als Handlungsstrategien wirken:
a) | Kooperieren: Konflikte sind etwas Normales und gehören zum Leben. In der Regel sind sie zum beiderseitigem Vorteil zu lösen. Dafür ist es wichtig, unterschiedliche Meinungen als Chancen zu sehen und ein Klima gegenseitigen Vertrauens zu schaffen. Es geht darum, möglichst kreative Wege zu finden, gemeinsam Ziele zu erreichen und für beide Seiten optimale Lösungen zu finden. |
b) | Feilschen: Man kann nicht immer gewinnen. Aber meistens kann für alle Seiten eine recht akzeptable Lösung gefunden werden. Jeder gewinnt und verliert ein bisschen. Man kann es nicht allen Recht machen. |
c) | Nachgeben: Konflikte trennen Menschen voneinander. Um Harmonie zu erhalten, ist es besser, Meinungsunterschiede nicht hochzuspielen, sondern zu glätten. Menschliche Beziehungen sind das Wichtigste. Da kann es sinnvoll sein, die eigenen Ziele dem gemeinsamen Ganzen zu opfern. |
d) | Konkurrieren: Das Leben ist hart. Ziel ist es, dass das Recht siegt. Deshalb ist es notwendig, sich voll für die Sache einzusetzen, an die man glaubt. Es kann nur einen Gewinner geben. Das Ziel heiligt die Mittel und im Überlebenskampf sind auch Überreden, Zwang und der geschickte Einsatz von Macht erlaubt. |
e) | Vermeiden: Menschen sind unterschiedlich. Das kann man auch kaum ändern. Es gilt darum, Meinungsunterschiede zu akzeptieren und den Ärger und die Mühe endloser Diskussionen zu vermeiden. Bei Konflikten hält man sich besser weise raus. Das meiste erledigt sich sowieso von alleine. |
Kopf oder Bauch?
Zu wie viel Prozent ist menschliches Verhalten vernunftorientiert („kopfgesteuert“) und zu wie viel gefühlsorientiert („bauchgesteuert“)?
Häufig wird die emotionale Seite in Konflikten unterschätzt. Obwohl jeder von uns selbst schon erfahren hat, insbesondere in Stresssituationen geladen, genervt, ängstlich, wütend oder einfach unangemessen zu reagieren. Experten schätzen, dass in Konfliktsituationen zu ca. 90 % der Bauch, das Gefühl, das Herz überwiegt.
Sach- oder Beziehungsebene?
Konflikte werden außerdem deshalb nicht auf der rein sachlichen Ebene gelöst, weil die meisten Konflikte zwar als Sachkonflikte erscheinen, aber darunter Beziehungskonflikte schwelen. Hier gilt ein ähnliches Verhältnis wie das von Kopf und Bauch. Oft wird ein Beziehungskonflikt versucht auf der Sach-Ebene zu lösen. Genauso häufig kommt es bei einem Sachkonflikt zu Verletzungen auf der Beziehungsebene. Menschen reagieren empfindlich, wenn sie sich angegriffen, herabgesetzt, beleidigt oder verletzt fühlen. Auch dann trägt eine rein sachliche Lösung nicht.
Konfliktbewältigungsstrategien
Ein konfliktfreier Zustand in einer Organisation ist weder möglich, noch wäre er wünschenswert. Jede Veränderung, jede Innovation hat zur Folge, dass unterschiedliche Sichtweisen entstehen, die wiederum zu Reibungen führen. Ein Unternehmen ohne Konflikte würde erstarren und seine Anpassungsfähigkeit verlieren. Allerdings verläuft nicht jeder Konflikt positiv. Um zu hohe Reibungsverluste zu minimieren, gilt es, unnötige oder destruktive Konflikte nach Möglichkeit zu vermeiden. Dazu ist es notwendig, systematisch vorzugehen und das in den verschiedenen Konfliktursachen liegende Potenzial zu minimieren.
Viele dieser präventiven Maßnahmen liegen im Bereich der Organisation und der Schaffung geeigneter Strukturen. Diese „Präventionspolitik“ geht davon aus, dass Menschen von sich aus kooperieren, wenn sie geeignete Bedingungen vorfinden. Dennoch kann es notwendig sein, Führungskräfte, Mitarbeiter oder Teams in ihrem Kommunikationsverhalten zu trainieren. Speziell jedoch auch Freelancer, die als externe Mitarbeiter eine ganz besondere Rolle im Unternehmen haben, müssen spezielle Fähigkeiten zur Prävention von Konflikten beweisen. Gerade Beziehungskonflikte mit internen Mitarbeitern, aber auch mit anderen externen Kollegen können durch günstige Kommunikation vermieden werden.
Konfliktprävention
Zielkonflikte
- abgestimmte Zielfindungssysteme
- geeignete Auswahlkriterien bei der Vergabe von Aufträgen und Erhöhung von Stundensätzen
Beurteilungskonflikte
- regelmäßige, rechtzeitige und ausreichende Information über Aufgaben, benachbarte Arbeitsgebiete, Veränderungen, Trends, Projektsicherheit etc.
- Einbeziehung der externen Mitarbeiter bei den sie betreffenden Entscheidungen
Verteilungskonflikte
- für die Arbeit erforderliche Mittel und Zeit
- klare, eindeutige, widerspruchsfreie, ausgewogene und bekannte institutionelle Regelungen, deren Beachtung verfolgt wird
Beziehungskonflikte
- wertschätzendes Klima von Vertrauen, Offenheit, gegenseitigem Interesse und Fairness pflegen
- explizite Kompetenzen, Rechte, Pflichten und Vollmachten
- ungeeignete informale Regeln frühzeitig zurückweisen
Rollenkonflikte
- klare und möglichst widerspruchsfreie Rollen
- Transparenz über die Unternehmensstruktur und Machtverhältnisse
- Koordinationsbedarf durch ganzheitliche Aufgabenübertragung und Dezentralisierung minimieren
Aber auch alle anderen Konfliktarten erfordern sowohl zur Verhütung als auch zur Bewältigung Kommunikation.
Kommunikationsverhalten
Hinderlich
laut, frech werden, provozieren, fluchen, schimpfen, angreifen, drohen, beleidigen, rechtfertigen, verteidigen, bloßstellen, verletzen, ironisch, spöttisch, von oben herab, abfällige Mimik / Gestik, Informationen zurückhalten oder missbrauchen, Genugtuung verlangen, auf das eigene Recht bestehen, abrupte Themenwechsel, mangelnder Blickkontakt, verstecken hinter Sachzwängen, beschwichtigen, Dienst nach Vorschrift, widersprechen, kritisieren, Monologe, Ratschläge, besserwisserische Belehrungen, bewusste Fehlinterpretation, moralisieren, predigen
Förderlich
ruhige Sprache, (offene) Fragen, sich entschuldigen, aktives Zuhören, ausreden lassen, auf gleicher Ebene ansprechen, zugewandte Mimik / Gestik, transparente Informationen, gute Vorbereitung, Nachgeben können, konstruktive Rückmeldung, angenehmes Umfeld, Zeit, Blickkontakt, Ich- statt Du-Aussagen, Gefühle ansprechen, Wünsche äußern, zustimmen, kurze Statements, eigene Wahrnehmung prüfen, Vermutungen ansprechen und klären
Im dritten Teil unserer Serie „Konflikte erfolgreich bewältigen“ geht Frau Dipl. Psychologin Jutta Kreyenberg auf verschiedene Probleme bei der Konfliktbewältigung ein.