Im Wahlkampf des zurückliegenden Jahres und den sich daran anschließenden Koalitionsverhandlungen war die Scheinselbständigkeit – dieses Mal lag der Fokus auf den Werkverträgen – wieder ein zentrales Thema im Bereich des Arbeitsrechts. Bereits zwei Jahre zuvor merkte die Bundesregierung auf eine Kleine Nachfrage der Fraktion der Grünen im Bundestag an, dass die Problematik der Scheinselbständigkeit weiterhin eine große Rolle bei den Prüfungen und Ermittlungen der Finanzverwaltung spiele.
Problematik Scheinselbständigkeit
Von einer Scheinselbständigkeit ist auszugehen, wenn eine Person für ein fremdes Unternehmen Dienst- bzw. Werkvertragsleistungen erbringt, die tatsächliche Ausgestaltung der Beschäftigung jedoch einem Arbeitsverhältnis entspricht und folglich als ein zum Schein Selbständiger nichtselbständige Arbeiten für das Unternehmen verrichtet. Problematisch an dieser Gestaltung ist, dass der eigentliche Arbeitgeber für seinen Arbeitnehmer keine Beiträge zur Sozialversicherung und keine Lohnsteuer entrichtet, was in letzter Konsequenz insbe-sondere eine Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB sowie erhebliche Nachzahlungen an Sozialversicherungsbeiträgen nach sich ziehen kann.
Gesetzgeberische Bemühungen
Nachdem die Debatte zur Scheinselbständigkeit zur Jahrtausendwende erheblich an Fahrt aufgenommen hatte, gab der Gesetzgeber im Jahre 1999 mit Blick auf die Sozialversicherung zunächst eine Einstufung anhand konkreter Merkmale mittels des damaligen § 7 Abs. 4 SGB IV a. F. vor. Die gesetzliche Regelung wurde jedoch aufgrund erheblicher Anwen-dungsschwierigkeiten im Jahre 2003 aufgehoben, weshalb es seitdem gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV darauf ankommt, ob die Tätigkeit nach Weisung des Arbeitgebers ausgeübt wird und ob eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers besteht. Es ist somit grundsätzlich die Stellung des Arbeitnehmers von der Stellung des Selbständigen mittels einer Gesamtabwägung abzugrenzen.
Abgrenzung Arbeitnehmer – Selbständiger/“Freier Mitarbeiter“
Die Rechtsprechung hat neben den bereits genannten primären Kriterien der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung in die Arbeitsorganisation weitere sekundäre Merkmale der persönlichen Abhängigkeit zur Abgrenzung des Arbeitnehmers vom Selbständigen entwickelt, die in jedem einzelnen Fall zur Einordnung des Betroffenen anzuwenden sind. Zu nennen sind hier etwa:
- die Wortwahl der Parteien
- arbeitsvertragstypische Vereinbarungen
- der Umfang der Tätigkeit oder
- die Anzahl der Kunden
- die Verteilung des unternehmerischen Risikos
- die Existenz von Mitarbeitern
- die Geltendmachung von Mängelrechten
Aufgrund der Eigenart der Gesamtabwägung und der damit verbundenen subjektiven Prä-gung des sich anschließenden Ergebnisses bestehen für Unternehmen erhebliche Rechts-unsicherheiten. Dabei bezieht sich die Abgrenzung auch längst nicht mehr nur auf klassische Bereiche wie das Baugewerbe, das Speditionsgewerbe, das Transport- und Logistikgewerbe, das Handwerk oder den Garten- und Landschaftsbau. So hatte vor kurzem das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt darüber zu befinden, ob unter Vertrag genommene Bundesliga-Boxer als Arbeitnehmer oder als Selbständige zu qualifizieren sind. Das Gericht verneinte die Arbeitnehmereigenschaft der Boxer, da die hierfür sprechenden Umstände hinter den auf eigene Kosten zu erbringenden Trainingsaufwand zurückträten.
Ausblick
Im Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Regierung wurde vereinbart, dass die wesentlichen durch die Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zur Verhinderung von Fällen der Scheinselbständigkeit und zur Erleichterung der Prüftätigkeit der Behörden erneut gesetzlich niedergelegt werden sollen. Ob das Vorhaben dem Gesetzgeber dieses Mal gelingen wird scheint fraglich und bleibt abzuwarten. Geplant ist die gesetzliche Verankerung der Voraussetzungen im Jahr 2015 anzugehen.