In Zeiten leerer Sozialkassen schielt die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB) nach jedem Euro, dessen sie habhaft werden kann. Dabei sind die Vertreter der DRB in der Wahl ihrer Mittel und Methoden alles andere als zimperlich. Die Jagd auf Selbständige und deren Auftraggeber gehört offenbar dazu. Ein Aufruf zur Verteidigung der Selbständigkeit!
Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will.
Jean-Jacques Rousseau
Selbständigkeit und Freiheit
Selbständigkeit und Freiheit sind untrennbar miteinander verbunden. Jeder Selbständige weiß zu schätzen, dass er eigenverantwortlich und selbstbestimmt tätig sein kann und ihm niemand vorschreibt, was, wann und wie er zu arbeiten hat.
Diese grundsätzlich absolute Freiheit findet ihre Grenzen nach Annahme eines Auftrags. Sobald der Selbständige sich verpflichtet eine konkrete Aufgabe zu übernehmen, gelten auch für ihn bestimmte Rahmenbedingungen, die er zu beachten hat. Dies kann beispielsweise bei einem Unternehmensberater zeitlicher Natur sein wie bei der Durchführung eines Workshops zu einem bestimmten Zeitpunkt; bei einem IT-Experten inhaltlich bestimmt werden wie bei der Entwicklung von Software mit bestimmten Funktionen oder bei einer Pflegekraft formale Kriterien erfüllen müssen wie die Beachtung hygienischer Standards im Krankenhaus.
Insofern genießt auch ein Selbständiger regelmäßig keine totale Freiheit.
Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang also stellt, ist, ob beziehungsweise wann ein Selbständiger nicht mehr selbständig ist. Eine Frage, die in jüngerer Zeit immer häufiger die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB) – nicht ganz uneigennützig – stellt. Die damit verknüpfte Thematik wird im Allgemeinen mit dem Schlagwort „Scheinselbständigkeit“ bezeichnet.
Ideal wäre ein Staat in dem jeder alle Freiheiten hätte, ausgenommen die Freiheit, in die Freiheit der anderen einzugreifen.
Bertrand Russell
Die Jagd auf Selbständige und deren Auftraggeber
Die DRB hat es sich ganz offenkundig zur Hauptaufgabe gemacht, ihre leeren Kassen mit allen erdenklichen Mitteln und Methoden zu füllen. Eine dieser Methoden ist die Jagd auf Selbständige und deren Auftraggeber.
Dabei gehen die Rentenversicherer regelmäßig zweistufig vor: Zunächst versuchen sie, das zwischen dem Selbständigen und seinem Auftraggeber bestehende freie Mitarbeiterverhältnis in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis umzudefinieren. Gelingt dies nicht, so zielen sie im zweiten Schritt darauf, den Selbständigen zur Zahlung seiner eigenen Rentenversicherungsbeiträge heranzuziehen.
Mittlerweile hat dies für die DRB offenbar grundsätzlichen Charakter, denn ansonsten wäre kaum erklärbar, dass die DRB auch Fälle, in denen es um Tätigkeiten von wenigen Wochen(!) Dauer geht, über mehrere Jahre und bis zu den Sozialgerichten betreibt. Allein die damit verursachten Aufwände und Kosten aller Beteiligten (Auftraggeber, Auftragnehmer, Rechtsanwälte, Gericht mit bis zu fünf Personen und eventuell beigeladene Krankenkassen) stehen in derartigen Fällen in keinem Verhältnis zu den streitigen Sozialversicherungsbeiträgen.
Bei alledem ist sich die DRB nicht zu schade auch noch zu behaupten, sie agiere letztlich im Sinne der Selbständigen, damit diese entsprechend abgesichert seien. Dies scheitert aber bei sehr vielen Selbständigen allein daran, dass die gesetzlich geforderte Wartezeit – das heißt die Voraussetzung für den Bezug von Rente – mindestens fünf Jahre beträgt. Regelmäßig werden Selbständige aber nur für einen bestimmten Zeitraum zu Zahlungen verpflichtet, der aufgrund der Verjährungsfristen maximal vier Jahre betragen kann. Sofern ein Selbständiger demnach zu Zahlungen verpflichtet wird, wären diese für ihn verloren; es sei denn, er zahlt „freiwillig“ weitere Beiträge an die DRB.
Etwas ist nicht recht, weil es Gesetz ist, sondern es muss Gesetz sein, weil es recht ist.
Charles de Montesquieu
Selbständigkeit und das Gesetz
„Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers“ (§ 7 Abs. 1 SGB IV).
Auf diesem einzigen Satz aus dem Sozialgesetzbuch IV gründet die Beurteilung Selbständiger als selbständig oder nicht selbständig – denn andere bzw. weitere gesetzliche Normen existieren nicht! Und diese Regelung ist damit auch die einzige gesetzliche Basis der Gerichte.
Die Rechtsprechung hat daher im Laufe der Zeit zahlreiche Kriterien zur Abgrenzung einer selbständigen von einer abhängigen Beschäftigung entwickelt. Die DRB konzentriert sich allerdings überwiegend auf die Aspekte Weisungsgebundenheit und Eingliederung des Selbständigen.
Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.
Charles de Montesquieu
Beurteilung durch die DRB
Die DRB kommt zu ihren Erkenntnissen fast ausschließlich am „grünen Tisch“. Beurteilt werden – so vorhanden – die Verträge zwischen dem Selbständigen und seinem Auftraggeber. Da beide Parteien in diesem Zusammenhang außerdem regelmäßig entsprechende Fragebögen von der DRB erhalten, werden auch diese Inhalte berücksichtigt.
Und: Sofern diese Unterlagen der DRB keine oder eine nicht ausreichende Argumentation für die Abhängigkeit des Selbständigen liefern, ist die DRB so frei, einfach mit Behauptungen und Mutmaßungen zu hantieren.
Eine weitere Vorgehensweise der DRB besteht darin, auf die tatsächliche Umsetzung der vertraglichen Vereinbarungen zu verweisen. Da die DRB diese gelebte Praxis jedoch aus eigener Anschauung in fast allen Fällen überhaupt nicht kennt, arbeitet sie auch hier gerne mit Annahmen und Unterstellungen.
Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.
Benjamin Franklin
Allianz für die Selbständigkeit
Freiheit ist das höchste demokratische und persönliche Gut. Jegliche Einschränkung bedarf eines sehr guten und vertretbaren Grundes. Die leeren Kassen der Sozialversicherung sind dafür sicherlich keine Legitimation. Der bewusste Schritt in die Selbständigkeit ist sowohl Chance wie Risiko – er sollte aber für den Selbständigen und dessen Auftraggeber nicht zum Harakiri werden.
Es scheint daher an der Zeit, eine Allianz für die Selbständigkeit zu begründen, die sich gegen die unbotmäßige Gängelung durch die DRB zu Wehr setzt und diese in ihre gesetzlich definierten Schranken weist.
4 Kommentare
Hallo Herr Dr. Grünewald,
ich bin seit 1997 als Interim-Manager unterwegs, war vorher angestellt. Ich zahle, damit meine Rentenansprüche aus der Angestellten-Phase (ca. € 1.500 pro Monat) nicht verloren gehen, den monatlichen Mindestbeitrag in die RV (ca. € 90). Bis jetzt hatte ich noch keine Probleme mit der RV.
Mit freundlichem Gruß
Herbert Graff
Hallo Herr Graff,
da haben Sie – wenn ich es mal so salopp formulieren darf, bislang Glück gehabt. Und dies insbesondere, weil Sie offensichtlich auch noch den Begriff “Interim Manager” benutzen, der ja sowohl vom Finanzamt wie auch gerade von der Deutschen Rentenversicherung Bund gerne zum Anlass genommen wird, einerseits die Freiberuflichkeit und andererseits die Sozialversicherungsfreiheit zu bezweifeln! Allerdings wird sich die Deutsche Rentenversicherung Bund wohl nicht weiter dafür interessieren, da Sie ja Beiträge an die Deutsche Rentenversicherung Bund zahlen, was nun allerdings die wenigsten Selbständigen machen.
Also, auch weiterhin alles Gute!
Benno Grunewald
Hallo Herr Dr. Grünewald,
Ich bin seit ca. 35 Jahren selbständig, kenne die Lohnabhängigkeit aber auch, da ich zwischendurch auch ab und an mal Angestellter war.
1992 hatte ich selber als Unternehmer (mit Arbeitnehmern und Freiberuflern) ein Verfahren vorm AG wegen Verdacht auf Scheinselbständigkei bei der Beschäftigung von einem Freelancer, aus dem ich allerdings eingermassen ungeschoren herausging und war schon ein wenig gebrieft. Seit 1996 bin ich nun „Alleinunterhalter“ und achte sehr auf meinen Status. 2009(!!) bekam ich von der BFA ein Schreiben, in dem ich Stellung zu meinr Tätigkeit nehmen sollte. Da der Inhalt jedoch eine bereits veraltete Rechtsprechung zur Grundlage hatte, hatte ich einigermaßen unwirsch mit dem Hinweis, man möge doch die aktuelle Rechtsprechung berücksichtigen, geantwortet und dann nichts mehr davon gehört. Da ich nun über 65 bin und eine Minimal-Rente beziehe, hoffe ich mal, dass das Thema abgehakt ist.
(still crazy after all this years)
Hallo Hr. Grünewald,
ich bin seit 4 Jahren Freiberuflich unterwegs, habe nun auch dieses Schreiben der Rentenversicherung bekommen und musste das Formular V020 ausfüllen. Zuvor habe ich 35 Jahre aus einem Angestelltenverhältnis in die RV einbezahlt. Muss ich einen Mindestsatz einzahlen (wie Hr. Graff) um meine Ansprüche zu sichern? Gehen diese bei Nichtzahlung verloren?.