Viele Freelancer oder Inhaber kleinerer Unternehmen haben sich in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten schon das ein oder andere Mal mit dem Gedanken beschäftigt, ihre Selbstständigkeit aufzugeben und zugunsten der Planungssicherheit auf eine Festanstellung auszuweichen. Doch wo liegen die elementaren Unterschiede und Reibungspunkte zwischen beiden Beschäftigungsmodellen?
Was spricht für eine Festanstellung?
Gründe für einen Wechsel in eine Festanstellung kann es viele geben. Der nächstliegende wären existenzielle Sorgen und der Wunsch nach einem geregelten Einkommen. Aber auch das ständige „ganz auf sich alleingestellt sein“ kann sich demotivierend auswirken. Hierzu zählen die alltäglichen Sorgen eines Alleingeschäftsführers, der sich von der Kundenakquise über die Projektabwicklung, die nachgelagerte Buchhaltung, bis hin zum Gießen der Büropflanzen um nahezu alles selbst kümmern muss. All das ließe sich innerhalb einer Festanstellung vermeiden. Nichts wie los werden also einige denken. Doch was sollte dabei beachtet werden?
Die Bewerbung
Selbstständige und Freiberufler, die sich auf eine Festanstellung bewerben, fällt es oft nicht leicht in ihrer Bewerbung zu begründen, warum sie von der Selbstständigkeit in ein Angestelltenverhältnis wechseln wollen. Hier gibt es auch einige Regeln zu beachten. Denken Sie sich in den Mitarbeiter der Personalabteilung hinein und stellen Sie sich vor, Sie erhalten eine Bewerbung mit folgendem Inhalt:Beispiel 1: „Ich bin zwar zusätzlich noch Geschäftsführer meiner eigenen Firma, weiß aber, wie alles zu funktionieren hat und bin deshalb Ihr idealer Kandidat.“
- Der Personaler liest zwischen den Zeilen: „Schicken Sie Ihren jetzigen Chef in den Ruhestand, ich manage neben meiner eigenen Firma auch noch Ihre.
Beispiel 2: „Seit Jahren bin ich in Eigenregie freiberuflich tätig, arbeite am liebsten allein und eigenverantwortlich, tausche mich jedoch gerne auch mit dem Team bei gemeinsamen Projekten aus.“
- Der Personaler liest aller Voraussicht nach zwischen den Zeilen: „Teamwork? Nein danke!“
„So würde ich das nie schreiben“, denken Sie vermutlich. Zugegeben, die Formulierungen sind etwas überspitzt. Die Quintessenz bleibt die gleiche. Nehmen Sie sich selbst zurück!
Wer einmal Unternehmer war, kann auch ohne großes Brustklopfen trumpfen. Stellen Sie die Dinge sachlich dar und untermauern Sie Ihr Leistungspotenzial durch Referenzen, Zertifizierungen und fundierte Projektbeschreibungen. Erkundigen Sie sich bei ehemaligen oder noch bestehenden Kunden, ob diese Ihnen ein paar positive Worte zu Ihren Leistungen schreiben können und ob sie den Kunden auch als Referenzansprechpartner nennen dürfen. Dies ist vor Allem auch deshalb notwendig, da Sie als Freiberufler keine Arbeitszeugnisse besitzen, die im Gegensatz dazu Personen in Festanstellungen von jedem früheren Arbeitgeber ausgestellt werden.
Kleider machen Leute
Sie waren es bisher gewohnt in Bermudas, Hawaiihemd und Sandalen bei offenem Fenster, im Café nebenan und im Sommer auf der Terrasse Ihrer Arbeit als Selbstständiger nachzugehen? Als Festangestellter bei einem konservativen Unternehmen müssen Sie Ihr gewöhntes Outfit vielleicht bald gegen Anzug und Krawatte eintauschen. Und wenn Sie Pech haben bleibt selbst das Fenster zu, weil die Kollegin am anderen Ende des Büroraumes aufgrund von Kopfschmerzen den Durchzug nicht erträgt. Seien Sie sich bewusst, dass Sie sich in Ihrem Job als Festangestellter an gewisse Unternehmensregeln halten müssen, ob Ihnen das nun gefällt, oder nicht.
Dauersurfen ade
Schneller Blick auf die Entwicklung Ihres Aktienpaketes, eine Anfrage über Ihre bevorzugte Community im Netz stellen oder einfach mal die privaten Mails checken? Lieber nicht, denn nur weil Sie am Arbeitsplatz einen Internetanschluss haben, heißt das noch lange nicht, dass Sie Ihren Firmen-PC auch für private Zwecke nutzen dürfen, dabei spielt es keine Rolle, ob Sie nur mal schnell Ihre Mails abrufen oder gleich den ganzen Nachmittag Spiele spielen. Gleiches gilt übrigens auch fürs Telefonieren. Seien Sie sich sicher, wenn ein Unternehmen Ihnen nachweisen möchte, dass Sie Ihren privaten Angelegenheiten während der Arbeitszeit nachgegangen sind, dann schafft es das auch. In den meisten Fällen ist die Untersagung der privaten Nutzung von Diensttelefon, PC und Internet auch Bestandteil Ihres Arbeitsvertrages oder spezieller Richtlinien, die Ihnen vor Jobantritt ausgehändigt werden und fast immer von Ihnen gegengezeichnet werden müssen. Es wird zwar in vielen Unternehmen teilweise kulantes Wegsehen praktiziert, allerdings können Sie die Auslegung nicht selbst beeinflussen.
Vom General zum einfachen Soldat
In einer Festanstellung ändert sich gegebenenfalls auch viel an Ihren bisherigen Gewohnheiten und Ihrem Umfeld. Pünktliches Erscheinen am Arbeitsplatz, Anwesenheit während der Kernarbeitszeiten, ordentliche Kleidung und berufliche Kommunikation mit den Kollegen sind da noch die leichteren Übungen. Schwieriger wird es, wenn Sie sich als alt gedienter Veteran plötzlich von jüngeren Vorgesetzten vorschreiben lassen müssen, was und wie Sie es zu tun haben. Dazu kommt, dass Entscheidungen in Unternehmen ab bestimmten Größenordnungen um einiges langsamer ablaufen und die Prozesse einem oft den Eindruck vermitteln, dass nichts vorangeht.
Selbst wenn Sie als Projektleiter Ihre eigene Abteilung unter sich haben, kann es vorkommen, dass Ihnen bei für Sie sinnvoll anmutenden Investitionsanträgen plötzlich ein anderer Unternehmensbereich, wie zum Beispiel das Controlling, Vorschriften macht oder Investitionen ablehnt.
Ein Wechsel in ein Anstellungsverhältnis kann auch bedeuten, dass Sie den Wandel vom Spezialisten zum Generalisten oder vom Einzelkämpfer zum Teamplayer vollziehen müssen, was nicht nur die Verantwortlichkeit für ein breit gefächertes Tätigkeitsspektrum bedeutet, sondern auch die entsprechenden Soft-Skills wie Kommunikationsfähigkeit und soziale Kompetenz erfordert.
Unter dem Strich
Wenn Sie wirklich mit dem Gedanken spielen, von der Selbständigkeit in eine Festanstellung zu wechseln, sollten Sie im Vorfeld überlegen, bei welchen Ihrer bisherigen liebgewonnenen Arbeitsgewohnheiten es Ihnen sehr schwer fallen könnte, in Zukunft darauf zu verzichten. Je schwerer es Ihnen fällt, sich offen auf das neue Arbeitsverhältnis mit all seinen Andersartigkeiten einzulassen, um so weniger ist ein Wechsel in die Festanstellung für Sie ratsam, denn dann werden Sie auf Dauer auch keine Freude an Ihrem Job haben. Das Resultat sind meist schlechte Arbeitsergebnisse, die weder Sie noch Ihren Arbeitgeber weiterbringen und früher oder später in einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses enden.
Vergessen Sie auch nicht: der Wechsel kann zudem bedeuten, dass Sie Ihr jetziges Business auf ein Minimum reduzieren oder sogar ganz aufgeben müssen. Auch darüber sollten Sie sich im Klaren sein, bevor Sie den Schritt wagen.
Festanstellung bedeutet aber nicht zwingend einen Rückschritt, sondern ggf. auch die Chance zu Fortschritt und Weiterentwicklung, wenn Sie dadurch eine Optimierung Ihrer aktuellen Situation und somit auch Ihrer beruflichen Zukunftsaussichten erzielen.