Der Karriereexperten-Trend-Check für 2012
Ob Arbeitsmarkt, Social Media oder Weiterbildung: Überall zeichnen sich neue Entwicklungen ab oder verstärken sich bereits eingeleitete Trends. „Karriere 2012 wird unter dem Eindruck von sich immer rascheren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen stehen“, resümiert Karriere- und Weiterbildungsexperte Lars Hahn aus Essen. Auch deshalb würden immer mehr Berufstätige in bis dahin vermeintlich sicheren Jobs ihren Berufsweg und den Sinn dahinter hinterfragen. „Sinnfrage, Erfüllung und Freude bei der Arbeit werden paradoxerweise durch mehr Unsicherheit von größerer Bedeutung werden“, so der Experte. Dies führt unter anderem, trotz erheblicher Kürzungen beim Gründungszuschuss, zu einem weiterhin starken Gründungstrend.
Im Folgenden haben die Karriereexperten die relevanten Bereiche in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt und kommentiert.
1. Arbeitsmarkt:
Bestehende Trends verstärken sich. Dazu gehört die zweigeteilte Entwicklung der Arbeitswelt mit hohen und weiter stark steigenden Gehältern auf der Seite der hochqualifizierten Fachkräfte und niedrigen Löhnen am anderen Ende – dies vor allem auf der Seite der Geringqualifizierten, aber auch bei weniger gefragten Akademikern. Mehr und mehr zeigt sich: Fachkraft ist nicht gleich Fachkraft. „Gefragt sind vor allem Kräfte aus dem IT- und ingenieurnahen Umfeld, die zu ihrer inhaltlichen Spezifikation noch Methodenwissen und kommunikative Fähigkeiten mitbringen“, so Lars Hahn.
2. Auswahlverfahren:
Der wichtigste Trend ist der hin zu Online-Verfahren. E-Assessment-Center gibt es nun schon lange, das Vorstellungsgespräch per Skype gab es nur vereinzelt. Das setzt sich nun langsam durch, stellen die Karriereexperten fest. „Die Webcam wird zu einem wichtigen Tool im Bewerbungsprozess, in dem vermehrt Skype und andere Formate eine Rolle spielen“, sagt Karriere- und Personalberater Raoul Wintjes aus Berlin, Mitglied der proAct Consulting Partnergesellschaft.
3. Bewerbung:
2011 kam das Tool Visualize.me auf den Markt, mit dem ein Lebenslauf wie eine Infografik dargestellt werden kann. Dies belegte den Trend hin zum Bunteren und Grafischeren. Einige unserer Experten sahen in diesem Jahr das erste Mal Lebensläufe, die auch in Word wie eine Infografik gestaltet waren. Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen. „Bewerbungen werden in 2012 informeller, frischer und frecher und vielleicht gerade deshalb qualitativ nicht besser“, warnt aber Karriere- und Personalberater Raoul Wintjes. „Bewerbungen müssen die Informationen enthalten, die Entscheider brauchen.“ Mit Infografiken sei das nur teilweise möglich. Zum Beispiel sollten Führungskräfte darauf achten, ihren so genannten „Track Record“, also Leistungen, möglichst an Zahlen und Fakten orientiert darzulegen.
4. Berufseinstieg:
Rare Studienplätze durch doppelte Abiturjahrgänge und Wegfall der Wehrpflicht: „Die ehemals vorgezeichneten Schritte werden 2012 kritisch, der Einstieg ins Studium für viele Fächer erkämpft“, so Karriereexperte Christoph Burger. Die neuen Abiturienten würden durch die Situation zunehmend unter Druck gesetzt und überhöhten den Handlungsdrang durch ihre Ansprüche an sich selbst weiter. Sie meinten, sie bräuchten Spitzennoten, sie dürften keine Zeit verlieren beim Karriereeinstieg, sie müssten sich gleich nach dem
Schulabschluss für genau den richtigen Weg entscheiden. „Die Gelassenheit früherer Generationen fehlt heute zunehmend“, so Burger. Genau diese Gelassenheit sei aber nötig, um erfolgreich in den Beruf einzusteigen. Es bliebe abzuwarten, zu welchen Entwicklungen diese Verspannung bei der Berufswahl mittelfristig führe.
5. Fachkräftemangel:
Unternehmen professionalisieren ihr Recruiting, um dem Mangel zu begegnen. „Denn das Schwinden des Fachkräftepotentials hat längst begonnen“, so der Karriereberater Christoph Burger aus Stuttgart. Veranstaltungen wie die „Nacht der Unternehmen“, Anwerbung von spanischen Spezialisten und die zunehmende Diskussion zum Thema „Employer Branding“ (Arbeitgebermarke) zeigten dies deutlich. Die Einstellung der Fachkräfte ist indessen nicht mehr auf der Höhe der Zeit. „Nach wiederholten Krisen beim Arbeitsplatz-Angebot sind sie noch nicht selbstbewusst und blinzeln in die lichte Freiheit, wie jemand, der lange im Dunkeln zubringen musste“, so Burger. Sie wüssten noch nicht, wie sie den gewonnenen Spielraum im eigenen Sinn nutzen können. Die Chance, die für die Angestellten darin liegt: Sie können viel aktiver ihre Berufs-und Lebensziele
festlegen und sie selbstbewusster verfolgen.
6. Gefragte Skills:
2012 wird unter anderem auch nonverbale Sensibilität als Soft Skill besonders gefragt sein, gerade bei der Suche nach geeigneten Bewerbern für Führungspositionen. „Damit ist ein ganzes Bündel an Fähigkeiten gewünscht, die Körpersprache und Stimmeinsatz betreffen“, so Bewerbungsberaterin Carmen Dreyer aus Rülzheim bei Karlsruhe. Zum einen sollte der Bewerber anhand dieses Wissens andere besser einschätzen können, zum anderen sollte er selbst in der Lage sein, gezielt Signale zu senden. „Die sozialen Kompetenzen stehen auf der Wunschliste für den perfekten Kandidaten im nächsten Jahr genauso im Vordergrund, wie das für die Position erforderliche Fachwissen“, so Dreyer. Englisch ist für alle Ebenen inzwischen Standard, gutes Englisch keine Besonderheit
mehr. „Wurde das vor zehn Jahren noch oft in Vorstellungsgesprächen thematisiert, wird es heute einfach vorausgesetzt”, berichtet Sonja Theilmeier, Business Englisch Trainerin von Enjoy English. Ein Niveau von B1 nach europäischem Referenzrahmen (GER) gilt inzwischen als unterer Durchschnitt für einen Akademiker.
7. Karriere machen:
In den Unternehmen fächern sich die Karrieremöglichkeiten weiter auf. Neben Führungslaufbahnen etablieren sich zunehmend Experten-, Spezialisten- und Projektlaufbahnen. Das mittlere Management (Sandwichmanagement), lange Zeit als Übergangsposition gesehen oder überflüssige Mittelplanke rückt immer mehr in den Vordergrund als zentraler Baustein des Unternehmens-Erfolges. Somit ist das mittlere Management ein Karriereziel und nicht nur die Zwischenstufe zum Topmanagement“, sagt Karriereexpertin Martina Bandoly aus Berlin. Nirgendwo sonst sind soziale Fähigkeiten so wichtig wie hier. Das sieht auch der Führungsexperte Thomas Kuhlmann aus Bonn so. „Neben der Selbstfürsorge im obigen Sinn auch des Führungspersonals, bekommt Mitarbeiterführung eine neue anspruchsvolle Ausrichtung.“
8. Social Media:
Angeblich werde Facebook der neue Renner für Personalberater, orakeln manche Blogs. Nur, wie soll man dort suchen? Das geht nicht wirklich. Deshalb gilt es hier fein zu entscheiden. Für die Jugend, die in erste Ausbildung und erste Joberfahrungen hineinwächst, wird Facebook zum beliebtesten Stellenmarkt“, sagt die Karriereberaterin Ursula Thieme aus Großhansdorf bei Hamburg. Sie findet im größten Netzwerk ihre Jobs mehr und mehr über schon vorhandene Kontakte. 300 Facebook-Freunde sind für einen 18jährigen heute nichts mehr. „Für weiterführende Karrieren bleiben Facebook & Co. jedoch bedeutungslos“, sagt Ursula Thieme. Hier werden die richtig interessanten Job-Deals über persönliche Kontakte oder Heahunter angebahnt und offline geschlossen.
9. Recruiting:
Hochglanzbroschüren, die viel versprechen, aber nichts halten, ziehen den Nachwuchs nicht mehr. Portale wie Kununu.com, die Arbeitgeber bewerten, werden zur ganz normalen Anlaufstelle für Jobsuchende. Gleichzeitig wird den Siegeln wie „Greatplacetowork“ nicht mehr viel zugetraut. Jobsuchende wünschen sich glaubwürdige Unternehmen. Authentische Kommunikation wird immer wichtiger – nach innen und nach außen“, so Karriereexpertin Ute Blindert. Nur die Unternehmen, die sich im Klaren sind, was und wen sie wirklich wollen, und dies konsequent umsetzen, haben Chancen im „War for Talents“. Gleich, ob sie sich im Web, via Social Media, in Magazinen, am Telefon oder auf Messen präsentieren.
10. Weiterbildung:
Das Thema Burnout wurde 2011 ganz großgeschrieben, teilweise aber auch mystifiziert. Bei den Firmen ist inzwischen angekommen, dass sie etwas tun müssen, um ihre Mitarbeiter zu schützen. Deshalb werden Trainings zur Burnout-Prophylaxe der Renner 2012, vermutet Thomas Kuhlmann. Unternehmen werden sich zunehmend darauf einstellen, da auch ihr eigener Ruf davon abhängt, wie sie mit dem Thema Burnout umgehen.