Dass man als Selbständiger dafür sorgen muss, gut ausgelastet zu sein, das weiß jeder. Eher unterschätzt wird die Schwierigkeit, die Auslastung genau auf eine 40-Stunden-Woche hin zuzuschneidern. Im ersten Teil der Serie wurde gezeigt, dass Standard-Auslastungsformeln für einen Freiberufler nicht funktionieren. Im folgenden Beitrag zeige ich Lösungen auf, die beim Steuern der Auslastung helfen. Folgendes hilft.
Keine Vollzeitprojekte mehr
Jedes Mal, wenn ein Vollzeitprojekt zu Ende geht, sackt die Auslastung erstmal in den Keller. Es ist leider gerade in der Endphase des Projektes zeitlich schwierig, sich nebenbei schon nach neuen Betätigungen umzusehen. Ich weiß, viele Freiberufler leben jahrzehntelang von einem Vollzeitprojekt zum nächsten. Und viele Kunden wollen ihren Freiberufler Vollzeit bei sich vor Ort, damit er sich voll für sie einsetzt. Ich mache das nicht mehr. So schön es auch ist, voll und ganz gebraucht zu werden, folgen dann eben auch Monate der Ungewissheit.
„Grundauslastung“ kennen
Schon als Angestellte beobachtete ich dieses Phänomen: Je länger man seinen Job macht, umso mehr „Grundauslastung“ sammelt sich an. Das sind bezahlte und unbezahlte Daueraufgaben, z.B. Ehrenämter, Wartungsaufträge, Unterstützung und so weiter. Beispielsweise verbringe ich wöchentlich mehrere Stunden damit, für verschiedene Organisationen Gutachten zu schreiben. Dazu kommen Ehrenämter, bei denen ständig etwas zu tun ist, Kurse, die regelmäßig stattfinden. Aus Zeitmanagement-Sicht kann ich diese feste Grundauslastung schon mit einrechnen. Genauso wie ich auch schon einplane, täglich zwei Stunden für E-Mails, Kommunikation und Organisatorisches zu benötigen. Jeden Tag ist das etwas anderes, aber im Mittel täglich ungefähr gleich viel. Bei diesem zahlreichen Kleinkram greift die Statistik für große Anzahlen. Nur die übrig bleibende Zeit kann überhaupt noch für neue Projekte verkauft werden. Aber Achtung: Diese Grundauslastung steigt von Jahr zu Jahr, müssen Sie also immer wieder neu ermitteln. (Ich habe gerade abgezählt, dass meine dieses Jahr zu hoch ist…)
Kennzahlen für Überlast identifizieren
Auch wenn ich es aufgegeben habe, meine Auslastung im Voraus berechnen zu wollen, brauche ich doch überlebensdringend Kennzahlen, die mir sagen, ob ich aktuell oder in näherer Zukunft voll oder übervoll ausgelastet sein werde, ob ich also weitere Projekte annehmen kann oder sogar einwerben muss. Ich habe meine so ermittelt: In einer Retrospektive nach einer Stressphase analysiere ich, wie sie zustande kam und welche Kennzahl auffiel. Eine für mich sehr gut greifbare Kennzahl sind die Kurs- und Beratungstage, an denen ich beim Kunden bin, denn diese lassen sich im Kalender abzählen. Diese stehen für andere Projekte und auch für die Grundauslastung nicht zur Verfügung. Dass meine Grundauslastung ansteigt, sehe ich auch daran, dass früher vier Kurstage pro Woche für mich in Ordnung waren, als ich noch fast aussschließlich von Kursen lebte. Dann nutzte ich den fünften Wochentag für Telefonate und Buchhaltung. Das war OK. Inzwischen verursachen schon drei Kurstage pro Woche eine Überlast, weil ich noch viele andere Tätigkeiten habe, z. B. das Schreiben von Gutachten. Daraus folgt, dass ich meine Auslastung darüber beeinflussen kann, wie viele solcher Kurstage ich in eine Woche packe. Eine andere Kennzahl sind die Abgabetermine in einer Woche. Diesen Juni habe ich unachtsamerweise zugelassen, dass die Abgabetermine für mehrere mehrwöchige Projekte in dieselbe Woche fielen. Nicht gut! Schließlich kann man viele Abgabetermine verhandeln (plus oder minus eine Woche) oder Arbeitsergebnisse gerne auch eine oder zwei Wochen vor Termin abliefern. Das habe ich letztlich dann auch gemacht.
Gesundes Projektportfolio
Da ich an vielen kleinen Projekten arbeite, kann ich Konzepte des Portfoliomanagements anwenden. Im folgenden Risk-Reward-Portfolio sehen Sie vier Arten von Projekten:
Am liebsten hätte ich natürlich nur gut bezahlte Aufträge, die garantiert stattfinden und Umsatz bringen, die Perlen rechts oben. Genauso selten wie Perlen sind auch diese Projekte. Ein normales Portfolio besteht aus einer guten Mischung von Perlen mit Austern und Brot-und-Butter-Tätigkeiten. Letztere gehören zur Grundauslastung, die allerdings auch Organisatorisches, Ehrenämter und Fortbildung enthält, die gar nicht bezahlt werden. Die Brot-und-Butter-Aufträge kommen ständig herein, bringen aber nur wenig Ertrag. Trotzdem sind sie gut für die Nerven und schützen vor dem Auf und Ab des Marktes. Immer mal wieder investiere ich in Austern, d.h. Geschäftsideen mit geringer Erfolgswahrscheinlichkeit aber hohen Ertragsmöglichkeiten. Dazu gehören innovative Schulungen, die ich entwickle und anbiete. Und so entsteht ein gutes Gemenge von Auslastung, Umsatz und Innovation. Je nach Typ ziehen Sie vielleicht eher ein gesichertes niedriges Einkommen oder eine riskante, wellenförmige Einkommensverteilung über die Zeit vor, mit der Chance, im Schnitt mehr zu verdienen als der risikoscheue Kollege. Dies lässt sich über das Mischungsverhältnis im Portfolio steuern. „Gesund“ ist die Mischung dann, wenn sie im Mittel das Überleben sichert und Sie sich damit wohl fühlen. Die vierte Art von Projekten (Weiße Elefanten) sollte man wirklich nur annehmen, wenn das Projekt Spaß macht, lehrreich ist oder es einen anderen nichtfinanziellen Vorteil einbringt.
Dringende und nichtdringende Projekte
Auch bei der Dringlichkeit lohnt es sich zu mischen. Meine Grundlast-Projekte dienen nicht nur der finanziellen Sicherung, sondern ihre schöne Regelmäßigkeit und die freie Zeiteinteilung machen sie zur Verschiebemasse. Üblicherweise erhalte ich drei bis vier Wochen Zeit dafür, oft sogar Monate. Normalerweise erledige ich sie sofort, bei hoher Auslastung, reiche ich das Ergebnis erst zur Abgabefrist ein. Auch wenn ich an anderer Stelle empfehle, mit solchen Aufgaben auf dem Laufenden zu bleiben und wenn jede Woche fünf Gutachten angefordert werden, dann auch wirklich wöchentlich fünf zu schreiben. Aber wenn wirklich Not herrscht, schreibe ich auch mal eine Woche lang eben doch kein Gutachten und nächste Woche zehn.
Kurz und gut
Zeitmanagement hilft, die Auslastung zu steuern. Ermitteln Sie Ihre Grundlast, so dass Sie wissen, wie viele Tage pro Woche überhaupt noch für neue Projekte zur Verfügung stehen. Und kennen Sie die Kennzahlen, anhand derer Sie Ihre Auslastung grob abschätzen können.
Die Auslastungsplanung funktioniert dann so: Für die nächsten Monate betrachte ich meine Kennzahlen: Wie viele Kurstage (und andere ganztägige Meetings) sind pro Woche geplant und wie viele Abgabetermine gibt es? Dies sind genau die Daten, die in meinem Kalender stehen. (Kein Zufall.) Daraus kann ich pi mal Daumen abschätzen, ob ich zu wenig zu tun habe, genau richtig oder die Auslastung schon zu hoch ist. Das ermöglicht frühzeitige Maßnahmen, z.B. das Einwerben zusätzlicher Aufgaben, Vertrösten von Kunden, die beauftragen möchten („Ja, ich mache es, fange aber erst nächsten Monat an“), rechtzeitiges Verschieben von Abgabeterminen und Ablehnen von Kundenanfragen. Natürlich bleibt das Problem, dass man sich bei den neuartigen Projekten im Aufwand verschätzen kann, aber mit dieser Systematik werden Sie weniger Stürme und Überraschungen erleben als auf der Grundlage intuitiver Entscheidungen.