In der Informatik veraltet die Hälfte unseres Wissens innerhalb von 4 Jahren. Vielleicht geht das inzwischen sogar noch schneller. Wenn Sie als Wissensarbeiter Ihren Wert erhalten wollen, müssen Sie also ständig lernen, lernen, lernen, um auf dem neusten Stand zu bleiben. Aber Schulungen kosten nicht nur Geld, sondern man muss sich auch für mehrere Tage aus Arbeit und Alltag ausklinken. Das verursacht so viel Stress wie ein Urlaub: Vorher will man noch ganz viel abschließen, allen Ansprechpartnern Bescheid geben, wann und wie man erreichbar ist oder eben nicht. Während der Abwesenheit kann man entweder abends noch ein bis zwei Stunden im schummrig beleuchteten Hotelzimmer seine E-Mails des Tages durcharbeiten und Kollegen und Kunden vertrösten („Bin gerade auf Schulung, melde mich anschließend!“) und nach der Rückkehr arbeitet man all das auf, was liegen geblieben war. Das Netzwerk aus Kunden und Partnern schläft nicht, es liefert uns kontinuierlich neue Aufgaben und Anfragen. Wer drei Tage weg ist, sammelt unerledigte Aufgaben an, deren Abarbeitung dann mehr als eine Woche dauert.
Mir geht es jedenfalls so. Die Kosten einer Schulung und die Zeit investiere ich gerne in Fortbildung, aber… drei Tage am Stück wegzufahren, das wird zur organisatorischen Meisterleistung in einer immer schneller getakteten Welt. Ein richtiger Rückzug funktioniert nur an Weihnachten, wenn tatsächlich das Netzwerk mal etwas schläfriger wird. Da finden aber auch garantiert keine Kurse statt.
Bei meiner eigenen Fortbildung setze ich darum auf einen synergetischen Mix aus klassischen Schulungen, E-Learning, Arbeitskreisen und Learning by Doing.
Zeit richtig nutzen
Mehrtägige Schulungen sind fast wie Urlaub. Man kann sich drei Tage lang (oder auch nur einen oder sogar fünf) mit einem Thema in die Tiefe beschäftigen. Irgendetwas, das man schon lange wissen, können oder ausprobieren wollte. Man lernt auch Menschen kennen, tauscht Erfahrungen aus, bekommt kompetentes Feedback vom Experten und manchmal ergibt sich daraus auch Unerwartetes. Diese Reise muss jedoch genauso diszipliniert vorausgeplant werden wie der Jahresurlaub. Sich unverbindlich ein interessantes Seminar in den Kalender zu schreiben und zu hoffen, dass zufällig genau diese drei Tage terminfrei bleiben, das klappt nie. Die Schulungstage müssen verbindlich im Kalender eingetragen und verteidigt werden gegen alle Anfechtungen.
Um mir diesen Stress zu ersparen, setze ich schon seit Jahren auf E-Learning. Kostenlose MOOCs MOOCs (Massive Open Online Courses) gibt es zuhauf. Sie bleiben aber meist auf Anfängerniveau und sind deshalb eher für Hobbythemen und fürs Reinschnuppern interessant als für die berufliche Fortbildung eines Experten. Beispielsweise habe ich viel Spaß in Literatur-MOOCs gehabt. Wenn man auf höherem Niveau lernen will, muss man meist bezahlen. Online-Kurse gibt es aber auch schon zum Preis eines Fachbuchs. Unsere Stadtbücherei verleiht auch E-Learning-CDs. Manche E-Learning-Kurse sind jedoch fast so teuer wie Real-Life-Kurse, abgesehen von den wegfallenden Reisekosten.
Was ist E-Learning? Das sind alle Lehrformen, bei denen elektronische Geräte zum Einsatz kommen. Zumeist zählt aber die Musik-CD der Zumba-Trainerin nicht dazu – außer es ist ein Zumba-Video. Es gibt Webinare, die wie Seminare von einem Trainer zu einer bestimmten Uhrzeit durchgeführt werden, der vorträgt, mit den Teilnehmern diskutiert und Übungen durchführt. Nur eben nicht in einem Seminarraum, sondern im Internet. Die Folien erscheinen auf dem Bildschirm aller Teilnehmer, zusätzlich ein Chatfenster, weitere Dokumente, Abstimmungen oder eine Tafel fürs gemeinsame Zeichnen. Typisch für das Webinar ist auch, dass es zu einer festgesetzten Zeit stattfindet. Wer zu spät kommt, verpasst den Anfang.
Formen des E- Learning
Webinare haben für Trainer und Teilnehmer den Vorteil, dass sie von zu Hause aus teilnehmen können. Fahrtzeiten entfallen. Der erfahrene Webinar-Trainer sorgt dafür, dass die Teilnehmer ständig gefordert werden, damit sie nicht nebenbei ihre Wäsche bügeln oder mit dem Hund raus gehen. Die Verlockung ist groß, während eines Webinars woanders hin zu zappen! Anders als in einem normalen Seminar sieht der Dozent hier nicht, wenn jemand über oder unter dem Tisch mit seinem Telefon hantiert.
Zeitlich flexibler ist man bei den meisten anderen E-Learning-Formen. sowie andere E-Learning-Kurse bestehen üblicherweise aus einem Wechsel von Lehrvideos, schriftlichen Online-Diskussionen, Multiple Choice-Wissenstests und Übungen. Oft gilt es auch, Aufsätze oder Code zu schreiben, die dann im sogenannten Peer Review von den anderen Kursteilnehmern bewertet werden. Zeitlich kann man sich die Bearbeitung der meist kurzen Kursteile selbst einteilen. Ich gönne mir oft für den Kurs ein zweites Frühstück oder mache nebenbei etwas Sport. Nur für die Übungen und Tests muss man ganz präsent sein.
Überhaupt ist Disziplin das A und O des E-Learnings. Denn die Zeit dafür muss man ganz nebenbei frei halten. Manche Kurse geben einen zeitlichen Takt vor, indem sie das Kursmaterial wochenweise freischalten. Oft muss man zum Ende jeder Woche eine Aufgabe lösen, als Vorbedingung dafür, am Ende das Zertifikat zu erhalten. Das verursacht Zeitdruck, was auch wichtig ist, damit man den Kurs in endlicher Zeit abschließt. Bei mir ist es so, dass ich vier Stunden E-Kurs pro Woche locker nebenbei unterbringe. Acht und mehr Stunden verlangen durchaus Planung und Abstriche an anderer Stelle.
Der klassische Kurs
Um so richtig auf Top Level zu lernen, benötigt es jedoch mehr als einen simplen Kurs. Darum engagiere ich mich in Arbeitskreisen, wo wir Experten unter uns diskutieren und oft auch Ergebnisse erarbeiten und veröffentlichen. Früher verursachten solche Treffen Reisekosten, heutzutage finden viele Arbeitssitzungen ebenfalls online statt. Nach meiner Erfahrung sind rein virtuelle Gruppen immer ein wenig unverbindlich, so dass jede Gruppe sich regelmäßig auch treffen sollte.
Last but not least bleibt noch das Learning by Doing. Immer wenn wir bewusst unsere Arbeit machen, lernen wir dazu. Die Voraussetzung dafür besteht jedoch in einem soliden theoretischen Unterbau, damit wir einordnen können, was wir erleben. Die Realität ist der Ort, wo wir das was wir im Kurs gelernt haben, anwenden und prüfen. Nicht alles, was in einem Kurs gelehrt wurde, passt dann in jeder Situation. Außerdem macht ja bekanntlich die Übung den Meister.