Priorisierung im Zeitmanagement bedeutet zu entscheiden, an welchen Aufgaben man zuerst arbeitet und wie gründlich man jeweils vorgeht.
Laut Eisenhower sind die beiden elementaren Priorisierungskriterien die Wichtigkeit und Dringlichkeit einer Aufgabe. Beide sind unabhängig voneinander, denn es können Projekte zwar wichtig, aber (noch) nicht dringend sein (z.B. in den nächsten neun Monaten ein Buch zu schreiben) oder unwichtig und dringend wie z.B. die Online-Stimmabgabe für irgendeine Abstimmung eines Vereins.
Laut der Methode „Getting things done“ von David Allen gibt es noch weitere Priorisierungskriterien wie z.B. der Ort. Sitze ich gerade im Zug, kann ich nicht dieselben Aufgaben bearbeiten wie im Büro oder zumindest nicht gleich effizient. Konzentrieren wir uns im Folgenden aber der Einfachheit halber auf Bürotage, an denen man seine Zeit im Prinzip selbst einteilen kann, abgesehen von der verpflichtenden Anwesenheit bei Besprechungen.
Nach meiner Selbstbeobachtung fühlt es sich besser an, Aufgaben und Projekte nach Wichtigkeit zu priorisieren. Zu ruhigen Zeiten, wo ich alle Termine leicht einhalten kann, wird der Arbeitstag nach Wichtigkeit aufgeteilt. Jedes Projekt bekommt ein Zeitbudget zugewiesen und so komme ich mit allen Projekten voran. Es fühlt sich gut an, an den wichtigen Aufgaben viel zu arbeiten und an den unwichtigen weniger. Außerdem ermüdet es mehr, acht Stunden lang dasselbe zu machen als Abwechslung zu haben.
Priorisierung nach Dringlichkeit in Überlastphasen
Phasenweise werte ich meine Arbeitszeiten nach Dringlichkeit aus. Dabei kommen konstant ungefähr diese Werte heraus:
- Rund 30% verbringe ich in Besprechungen oder als Trainerin in Schulungen.
- Weitere 30% des Arbeitstages verwende ich auf dringende Aufgaben, die ich gleich erledige. Manche davon sind auch weniger dringend, doch ich lasse sie trotzdem nicht liegen, damit sie sich nicht ansammeln. Es macht mehr Aufwand, eine 5-Minuten-Aufgabe zu verwalten als sie gleich zu erledigen.
- Weitere 30% der Arbeitszeit sind für Aufgaben, die innerhalb weniger Tage gemacht werden müssen.
- Die restlichen 10% meiner Arbeitszeit investiere ich in langfristige Projekte, z.B. das Schreiben von Büchern oder Fortbildung.
Diese Verteilung fühlt sich wie eine gute Mischung an. Noch entspannter sind natürlich besprechungsfreie Feiertage, weil dort die Verteilung eher 0-5-70-25 ist.
Nun gibt es aber regelmäßig Überlastphasen. Mit Aufträgen ist es so wie mit Feiertagen oder Unglücken: Einer kommt selten allein, sondern in Gruppen. Dabei folgen sie einem gewissen Jahresrythmus. Schulungen finden bevorzugt im Winter statt und gegen Ende des Jahres muss oft noch schnell Budget ausgegeben werden, da kommen dann noch Schulungsnotfälle hinzu. Und Abgabetermine für längerfristige Projekte werden mangels anderer herausragender Daten unkreativ auf „Ende des Jahres“ gelegt.
Was tut man in Überlastphasen? Nichtdringendes wird verschoben und nur an Dringendem gearbeitet. Die Aufgaben sind auf der To-Do-Liste bereits nach Abgabetermin sortiert und werden möglichst genau in dieser Reihenfolge abgearbeitet.
Wie die obige Statistik zeigt, nutzt das nicht so wirklich viel, weil auch in normalen Zeiten nur wenige Aufgaben nicht dringend sind. Diese sind aber entweder organisatorischer Kleinkram, der nun auf dem Schreibtisch oder in der Mailbox liegend ein schlechtes Gewissen verursacht, oder wichtige Aufgaben der Selbstverwirklichung und Weiterentwicklung, die den Arbeitstag erst so richtig erfüllend machen. Am schmerzhaftesten ist es jedoch, dass man bei der Priorisierung nach Dringlichkeit fremdgesteuert arbeitet, denn während ich die Wichtigkeit selbst definiere, wird die Dringlichkeit vom Kunden, einem Team oder einer anderen Instanz vorgegeben.
Die 30-30-30-10-Aufteilung ist also diejenige, mit der ich mich am wohlsten fühle, wo sich Kommunikation und Ruhe, Pflicht (bezahlte Arbeit an den Visionen anderer) und Kür (Arbeit an meinen eigenen Visionen) am harmonischsten ergänzen. Darum erlaube ich mir gerne auch in stressigen Phasen ein wenig Zeit für Nichtdringendes.
Prokrastination (=Priorisierung nach Lust und Laune) macht effizienter
Prokrastination ist ja eigentlich eine Krankheit, bei der jemand den Tag damit verbringt, sich selbst durch sinnlose Tätigkeiten von den sinnvollen abzuhalten. Wobei ich denke, dass jeder Mensch korrekt nach seiner subjektiven Wichtigkeit priorisiert, nur sich gerne hinterher mit „Ich weiß auch nicht, wieso ich das nicht gemacht habe“ herausredet, weil er nicht zugeben will, dass sein Studium oder seine Arbeit ihm unwichtig oder unangenehm ist.
Aber selbst wenn man diszipliniert genug ist, den gesamten Arbeitstag mit echter Arbeit zu verbringen, dann verschiebt man manchmal unliebsame Aufgaben nach hinten, obwohl sie eigentlich dringend oder wichtig wären, wenn nur… Ja, wenn nur die Aufgabe nicht irgendwie anstrengend, peinlich oder schmerzhaft wäre. Ich habe aber festgestellt, dass es gar nicht so falsch ist, etwas liegen zu lassen, worauf ich jetzt gerade keine Lust habe oder mir nichts dazu einfällt. Drei Stunden später oder am nächsten Tag habe ich meistens eine Eingebung und es fließt mir geradezu alles ohne Stocken in die Tastatur oder ich lese einen interessanten Text im Nu. Wenn ich inspiriert und motiviert bin, schaffe ich jede Arbeit in meiner persönlichen Optimalzeit, aber wenn ich mich dazu zwinge, dauert es doppelt bis drei Mal so lange. (Ich habe es gemessen.) Gerade bei Werkprojekten ist dies zu vermeiden, denn wenn ich doppelt so lange für dasselbe Ergebnis brauche, halbiert sich rechnerisch der Stundensatz.
Viel effizienter ist es, wenn ich mir zu jedem Zeitpunkt von der Liste heraussuchen kann, worauf ich am meisten Lust habe. Das widerspricht sich auch nicht mit einer guten Planung. Wenn ich mir z.B. vorgenommen habe, heute zwei Stunden an einem bestimmten Projekt zu arbeiten oder ein bestimmtes Ergebnis fertigzustellen, dann kann ich – abgesehen von den Besprechungen – den Zeitpunkt nach Lust und Laune bestimmen. Wenn ich mit etwas gar nicht voran komme und nach einer halben Stunde klar wird, dass die restlichen anderthalb Stunden verschwendet wären, arbeite ich an etwas anderem. Wenn ich genügend Puffer habe, passiert deswegen kein Unglück. Nur echte Prokrastination, das heißt dass man die Arbeitszeit mit Nichtarbeit verbringt, darf nicht passieren. Aber das kann Zeitmanagement durchaus verhindern durch korrekte Zeitaufschriebe.
Um möglichst vieles dann machen zu können, wenn mir gerade danach ist, bearbeite ich Aufgaben am liebsten nicht erst dann, wenn sie dringend sind. Denn dann ist kein Spielraum mehr für eine Verschiebung auf morgen. Dann muss ich es heute fertigstellen, und wenn ich bis morgens um zwei Uhr daran sitze. Das fühlt sich an wie Nachsitzen, wie eine Strafe für schlechtes Zeitmanagement.