Wertorientierte Haltung und Vorgehen (Ethik)
Wertorientierte Arbeit und insbesondere Beratung hat viel damit zu tun, inwieweit etwas “gewertet” wird und wie es Beachtung erfährt. Wertung verwende ich hierbei im Sinne von „Anerkennen, was ist“ (HELLINGER 2002) bzw. Achtsamkeit. In der TA sprechen wir hier auch von „Counting“ im Gegensatz zu „Discounting“ (SCHIFF 1975), worunter Ausblendung, Herabspielen oder Nicht-Ernst-Nehmen von relevanten Informationen verstanden wird.
Der externe Dienstleister kann Nachhaltigkeit und Wertigkeit primär durch die nachhaltige Gestaltung ihrer Beziehung zum Klientensystem schaffen. Hier gilt es, wertschätzend, in einer sog. Okay-Haltung sich und den Kooperationspartnern zu begegnen (vgl. KREYENBERG 2005, RÜTTINGER & KRUPPA 1988) und positive „Strokes“ (Anerkennung) zu geben. Eine solche Haltung ist durch Übung zu erreichen, z.B. indem man:
- sich die eigene Einstellung (situativ) bewusst macht,
- die Wahlfreiheit, sich wertschätzend zu verhalten in jeder einzelnen Situation sieht,
- auch Nicht-Okay-Positionen wertschätzend wahrnimmt und sich nach den eigenen Bedürfnissen und denen des Gegenübers fragt,
- sich innerlich schützt vor äußeren Abwertungen, indem man Abstand gewinnt, positive Richtungen bewusst verstärkt, sich selbst anerkennt und Ermutigungen wahrnimmt,
- sich und andere für wertschätzende Denk- und Verhaltensweisen systematisch anerkennt,
- mehr fragend und einbeziehend denn überzeugend arbeitet
Insbesondere in Veränderungs- und Stresssituationen ist es für den Freiberufler nachhaltig fruchtbar, einerseits aktiv und wertschätzend dienstleistungs-orientiert vorzugehen und andererseits die eigenen Kompetenzen für sich und den Kunden selbstbewusst einzubringen.
Solche Dilemmata und Widersprüche sind täglicher Bestandteil des Freiberuflers, seien sie strukturell (z.B. SCHWARZ 1997, TUMUSCHEIT 1999) oder innerlich-psychologisch (EIDENSCHINK (2003 – 2004, nach RIEMANN 1986) bedingt, wie z.B. zwischen Abhängigkeit und Selbstbestimmung als Freiberufler und zwischen Neugierde und Sicherheit, Stress und Loslassen, spannenden und lukrativen Aufgaben etc.
Im Umgang mit diesen inneren und äußeren Spannungsfeldern geht es nicht darum, sich eindeutig auf die eine oder andere Seite zu stellen oder nach einfachen Patentrezepten vorzugehen. Ethische Reife erfordert vielmehr die Fähigkeit zur Resilienz (Widerstandfähigkeit in Stresssituationen), die Fähigkeit, Bedürfnisse und Spannungsfelder auszugleichen und Sicherheit im Umgang mit Ambivalenz, Dilemmata und Widersprüchlichkeiten.
Hilfreich sind hier Methoden, die Werte bewusst machen (z.B. Werteworkshops, Wertediamant, Wertequadrat, s. auch KREYENBERG 2010) sowie Methoden zur individuellen Reflexion und Diskussion von Paradoxion und Spannungsfeldern, z.B. anhand folgender Reflexionsleitfragen:
- Welche Spannungsfelder, Widersprüche und Dilemmata kenne ich/wir?
- Zu welchen Polen tendiert jeder einzelne, wir als Gruppe, unsere relevanten Umwelten?
- Inwieweit erleben wir Unterschiede und Widersprüche als Bereicherung?
- Was sind meine/unserere grundlegenden Befürchtungen und Ängste?
- Welche Entwicklungsmöglichkeiten sehe ich für mich und meinen Verantwortungsbereich bzw. sehen wir für und?
Rollenmanagement
Halten Sie einen Moment inne und fragen Sie sich:
- Was assoziieren Sie mit „Rolle“?
Rollen kann man beschreiben als zusammenhängende Systeme von Einstellungen, Gefühlen, Verhaltensweisen, Wirklichkeitsvorstellungen und den dazugehörigen Beziehungen. Rollen (wie Theaterrollen auf der Bühne) müssen stimmig sein für die Person (Persönlichkeit), also dem Wesen gemäß und in den jeweiligen Kontext (Erwartungen von außen) passen.
Der Freiberufler befindet sich oft im Spagat zwischen zwei Rollen:
- Angestellter
- Unternehmer
Hier wird deutlich, dass diese Rollen ganz andere Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen in Gang setzen und verschiedene Beziehungsangebote an den Kunden auslösen werden. Sich hier zu positionieren, sich zu identifizieren und die Rolle konstruktiv zu gestalten erfordert Rollenkompetenz und –management. Folgende Reflexionsfragen können helfen, die eigenen Rollen zu klären:
- Was ist meine Leit- oder Kernrolle, mein Leidbild, meine Identität, aus der heraus ich handeln will in dieser Situation?
- Was sind meine Bilder, Stories, Modelle für meine Leitrolle (n)?
- Was ist Realität, was Phantasie? Was sollte ich loslassen, wofür kämpfen?
- Wie kommuniziere ich diese Rollen nach außen? Was sind Erwartungen relevante Umwelten? Wie kann ich meine Rollen mit wichtigen Personen verhandeln?
- Was sind möglicherweise Rollenkonflikte?
- Was sind unterstützende Rollen, die mich in meiner Leitrolle stärken?
- Wie kann ich mir selbst (wie jemand anders) helfen, von einer Rolle in die nächste zu wechseln, mich weiter zu entwickeln? Welche Ressourcen habe ich, welche brauche ich?
Verknüpfung von Visionen und Realitätssinn
Visionen nicht mit Halluzinationen zu verwechseln aber auch vor lauter Bodenhaftung nicht im Dreck zu versinken – Ziel ist hier eine gesunde und individuell passende visionär-realistische Zukunftsgestaltung.
Dabei sind es drei Ebenen, die zusammen wirken, um Vision und Realität zu verknüpfen und für eine gewollte Zukunft stabilisieren:
- Erfinden (tendenziell Kind-Ich-Energie): nutzen der kreativen Energie von Träumen, Sehnsüchten und Visionen:
– Was sind Sehnsüchte, Visionen, Träume? Meine, die meines Business?
– Was ist in mir angelegt (Physis), was ist schädlich und zu verändern (Skript)?
– „Was will durch mich/uns in die Welt?“ (Bernd Schmid) - Erforschen (tendenziell Erwachsenen-Ich-Energie): sich wissenschaftliche Erkenntnisse zugänglich machen, lernen, fundierte Zukunftsforschung betreiben:
– Was ist der (ursprüngliche) Auftrag an mich/uns als Firma (Mission)?
– Was sind Notwendigkeiten, Ist-Situation, Märkte, Verpflichtungen?
– Wo kann ich/können wir uns die nötigen Informationen besorgen? - Vereinbaren (tendenziell Eltern-Ich-Energie): Zukunft entwickeln durch zwischenmenschliches (Ver-)handeln, Beeinflussung, Führung und Kommunikation:
– Wie setze ich meine Pläne um?
– Was sind operationalisierbare Ziele und Schritte, Maßnahmen?
– Was davon ist mit wem zu besprechen/verhandeln?
– Was sind grundlegende Werteanker?
– Wie kann ich mich stabilisieren/etablieren?
– Wie erhalte ich/wir Kraft und Mut zum durchhalten/umsetzen?
Diese Schritte können in Visions- oder Strategieentwicklungs-Coachings besprochen und umgesetzt werden.
Lassen Sie mich mit einem Spruch schließen, von dem ich nicht genau weiß, ob ich ihn selbst erfunden habe: „Wir werden unsere Zukunft nicht finden, wenn wir sie nicht erfinden“.