Der demografische Wandel schreitet fort. Gleichzeitig arbeiten immer weniger Menschen bis zur Rente bei einem Arbeitgeber – häufigere Wechsel sind die Folge. In Stelleninseraten liegt die maximale Berufserfahrung, die gefordert wird, bei etwa acht Jahren. Was aber, wenn ein Bewerber 20, 30 Jahre Berufspraxis mitbringt – und noch dazu die 50 überschritten hat? Das Karriereexperten.com-Netzwerk hat seine Mitglieder nach den besten Tipps gefragt.
Monika Garmisch ist 53 Jahre alt. Die Informatikerin hat eine zehnjährige Pause für die Kindererziehung eingelegt. Nun möchte sie wieder voll in den Beruf einsteigen. Sie hat also gleich zwei Schwierigkeiten zu überwinden: Über 50 zu sein und dann auch noch Wiedereinsteigerin. Ihr Coach rät ihr, zunächst bei den beiden früheren Arbeitgebern anzurufen. Die Strategie geht sofort auf. Schon der zuerst angerufene Arbeitgeber erinnert sich sofort und macht Monika ein Angebot. Er finanziert auch eine Weiterbildung, die ihre veralteten Kenntnisse auf den neuesten Stand bringt.
Kontakte als Wettbewerbsvorteil
Das Beispiel zeigt den richtigen Weg für Bewerber mit 50 plus. „Wer auf eine positive, gemeinsame Zusammenarbeit in der Vergangenheit blicken kann, wird bei einer möglichen Stellenbesetzung gerne auf Bewährtes zurückgreifen“, sagt Karriereexpertin Doris Brenner. Die Strategie mit den höchsten Erfolgsaussichten für Bewerber mit 50+ ist und bleibt der Weg über Kontakte und Netzwerke, so die Bestsellerautorin. Dies gelte selbst dann, wenn der Lebenslauf – wie im Beispiel von Monika Garmisch – Lücken aufweise. Brenner: „Die Mehrzahl der älteren Bewerber ist sich dieses Wettbewerbsvorteils jedoch nicht bewusst.“ Hier gilt es für Bewerber nachzudenken, am besten gemeinsam mit einem erfahrenen Berater, der die Relevanz von Erfahrungen einordnen kann. Brenner: „Wer bereits 20 oder 30 Jahre Berufserfahrung besitzt, hat im Laufe dieser Zeit eine Vielzahl von beruflichen Kontakten knüpfen können. Diese Kontakte gilt es sich nun ins Gedächtnis zurück zu rufen und aktiv aufzugreifen.“ Soziale Netzwerke wie Xing oder LinkedIn bieten unzählige Möglichkeiten, wieder auf Menschen zu stoßen, mit denen man schon zusammengearbeitet hat. Brenner empfiehlt im ersten Schritt darüber nachzudenken, wo eigentlich der frühere Chef, die damalige Ansprechpartnerin beim Kunden oder die Studienkollegen aus der Weiterbildung heute tätig ist – und eine nette Kontaktanfrage zu schicken.
Gutes Selbstmarketing als Erfolgshelfer
„Der Fachkräftemangel und auch der Mangel an erfahrenen Führungskräften ist ein großes Thema“, weiß Dr. Jürgen Nebel, Outplacement-und Karriereberater aus Wiesbaden. Führungskräfte gehen statistisch später in den Ruhestand als der Durchschnitt. „Eine Führungskraft im Alter von 50 Jahren hat durchaus noch 15 Jahre und mehr Schaffenszeit vor sich“, betont Nebel. Das berge viele Chancen für Ältere, die in den letzten Jahren oft als unvermittelbar galten. Es komme für die 50+Bewerber auf die richtige Strategie zur Selbstvermarktung an: Jeder Bewerber sollte sich fragen, wonach ein Unternehmen einen Mitarbeiter auswählt.
Wichtig: Zahlen, Daten, Fakten
Die Antwort ist einfach: In erster Linie danach, was dieser bisher bewegt und erreicht hat, welchen Nutzen er für vorherige Arbeitgeber gestiftet hat und für das eigene Unternehmen bringen kann. Es gehe, so Nebel, um konkrete Erfolge bei den harten Fakten: Kosten gesenkt, Umsätze erhöht, Gewinne gesteigert oder andere messbare Vorteile, die eben diesen Zielen dienen. Insbesondere Führungskräfte um die 50 haben eine Menge an Erfolgen und Nutzen zu bieten. Das gilt es schwarz auf weiß darzustellen, also nachzuweisen, zum Beispiel in einer Rubrik „Beiträge zum Geschäftserfolg“ oder einer „Leistungsbilanz“.
Ein weiteres wichtiges Erfolgskriterium für die Bewerbung der um die 50Jährigen sei die Bearbeitung des richtigen Marktes, so Jürgen Nebel. Circa 80 Prozent der offenen Stellen werden besetzt, ohne jemals öffentlich ausgeschrieben zu sein, insbesondere bei Führungspositionen. Diese „verdeckten Stellen“ werden durch eine professionelle Initiativbewerbung – die sogenannte Zielgruppenkurzbewerbung – entdeckt und für die eigene Karriere genutzt. „Diese Initiativbewerbung sollte die wesentlichen Stärken, Erfahrungen und insbesondere Erfolge der Führungskraft darstellen“, empfiehlt Nebel.50+ als Bereicherung für das Team
Doch auch bei einer normalen Bewerbung auf dem offenen Stellenmarkt sind die Aussichten sehr viel besser geworden, stellt der Experte Heiko Hoeppener fest. „Der Input von älteren Mitarbeitern wird oft als außerordentlich wertvoll und gewinnbringend erachtet, insbesondere im Bereich der Personalentwicklung von jüngeren Kollegen“, so Hoeppener, der mit seinem Unternehmen PI Company GmbH Online-Assessments durchführt. Diese ermitteln die Passgenauigkeit persönlicher Kompetenzen und benötigter Fähigkeiten mit dem Anforderungsprofil einer Stelle, die vom Alter des Kandidaten unabhängig sind.
Kenntnisse müssen auf dem neuesten Stand sein
Trotz all dieser Chancen muss aber auch der Bewerber mit über 50 sein eigenes Bewerberprofil kritisch reflektieren. Einmal gelernt ist gelernt – dieser Satz gilt schon lange nicht mehr. Heute ist lebenslanges Lernen an der Tagesordnung. Ein Plus für diejenigen Mitarbeiter, die dazu bereit sind. „Ältere Mitarbeiter übernehmen mehr Eigenverantwortung für die fortlaufende Qualifizierung und Weiterbildung während des gesamten Erwerbslebens, um die Arbeitsfähigkeit zu halten und Einsatzfähigkeit zu steigern“, resümiert Martina Bandoly aus Berlin. Auch Unternehmen erkennen die Relevanz einer permanenten Weiterentwicklung und fördern diese mehr.
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Ursula Thieme: Bewerbung ab 40. Orell Füssli 2005