Wer kein Zeitmanagement betreibt, erliegt leicht dem Eindruck, heutzutage sei gar nichts planbar. Selbst wenn man sich morgens vornimmt, heute eine bestimmte Sache zu erledigen, muss man abends feststellen, dass man sie nicht mal angefangen hat. Es kam so viel anderes dazwischen… Wer Zeitmanagement betreibt, sieht die Situation differenzierter.
Was ist Planbarkeit?
Planbarkeit stellt man sich gerne so vor: Ich erstelle einen Plan für morgen oder sogar für die ganze Woche oder den nächsten Monat, in dem genau steht, wann ich an was arbeite. Beispielsweise für nächsten Montag:
08:00-09:00 Bericht A schreiben
09:00-11:00 Besprechung mit B
11:00-11:30 Telefonat mit C
11:30-12:00 Besprechung mit D
12:00-12:30 Mittagessen
12:30-13:30 Text E schreiben
Und so weiter
Mit der Planbarkeit hat es geklappt, wenn ich am Montag dann in den vorgesehenen Zeitslots genau an den geplanten Aufgaben gearbeitet habe.
Woran scheitert die Planbarkeit?
Eine Reihe von Faktoren sorgt dafür, dass man selbst bei gutem Willen den Plan nicht einhält:
- Die Aufwandsschätzung war zu optimistisch: Man verschätzt sich leicht um einen Faktor zwei bis vier. Sowohl die produktive Arbeit als auch Besprechungen können länger dauern als gehofft. Damit verschieben sich die folgenden Tätigkeiten oder man hält zwar alle Besprechungstermine ein, aber die produktive Arbeit bleibt liegen.
- Unvorhergesehene Aufgaben kommen dazu: Der Chef oder Kunde bedarf dringend meiner Zuarbeit, die er vorher nicht angemeldet hatte. E-Mails sollen sofort beantwortet werden, oder man hat einfach etwas Wichtiges vergessen. Oder man folgt spontan einer Einladung, an einer Umfrage teilzunehmen oder einen Fachartikel zu lesen. Schon wieder zehn Minuten weg! Nach meiner Erfahrung lässt sich dieses Unvorhergesehene sehr gut einplanen. Ich weiß zwar vorher nicht, was es sein wird, aber ich weiß doch, dass ich dafür pro Tag eine bis zwei Stunden reservieren muss. In dieser Zeit bearbeite ich von den unvorhergesehenen Aufgaben die wichtigsten. Was darüber hinaus geht, verschiebe ich auf morgen oder lösche es.
- Zulieferungen: Zu späte oder schlechte Zulieferung von Teammitgliedern oder Lieferanten kippt den eigenen Zeitplan. Nur ein Beispiel: Ein Paket ging nicht an die Packstation, sondern in die Filiale, wo ich es während der Öffnungszeiten abholen musste. Nachdem ich mir einen Vormittag dafür frei gehalten hatte, war das Paket leider noch nicht da, und ich musste für übermorgen zwei Besprechungen verschieben, damit ich das Paket abholen konnte.
- Verfügbarkeit von technischer Infrastruktur oder Personen: Man wollte eigentlich Schulungsunterlagen drucken, aber nun ist der Toner leer und der Ersatz leider eine Niete. Man versucht jemanden anzurufen, erreicht ihn aber nicht. Es ist eine Telefonkonferenz angesetzt, aber eine wichtige Person schafft es technisch nicht, daran teilzunehmen. Während man für den Moment dann weniger Arbeit hat, weil man etwas gar nicht erledigen kann, muss diese Aufgabe ja nachgeholt werden und schiebt sich in den Plan von morgen oder übermorgen, der eigentlich schon erstellt war.
Zeitmanagement trotz Unplanbarkeit
Für manche Menschen ist diese Unplanbarkeit eine gültige Ausrede, um gar kein Zeitmanagement zu betreiben. Was nutzt es, Pläne zu erstellen, die nachher gar nicht eingehalten werden?
Das nutzt sehr viel! Eisenhower sagte nicht zu Unrecht: „In preparing for battle I have always found that plans are useless, but planning is indispensable.”
Nicht trotz der schlechten Planbarkeit, sondern gerade wegen ihr muss man jederzeit einen Überblick darüber haben, welche Aufgaben anstehen, wie lange sie voraussichtlich dauern und wann sie spätestens fertig werden müssen. Sobald der Plan nicht funktioniert, muss man blitzschnell entscheiden können, was unbedingt heute noch erledigt werden muss (notfalls in einer Nachtsitzung) und was sich verschieben lässt. Dies verlangt deutlich mehr Informationen als ein Zeitplan enthält!
Obwohl das Unvorhergesehene sich per Definition vorab nicht auflisten lässt, zeigen sich doch bei längerem Zeitaufschrieb gewisse Muster: Ich benötige für meine Mails täglich ein bis zwei Stunden, an bestimmten Meilensteinen treten gewisse Aufgaben häufiger auf. Besprechungen dauern ähnlich lange: Statusbesprechungen 20-30 Minuten, Arbeitsbesprechungen, in denen man Ergebnisse erarbeitet, eher eine Stunde und länger. Solche Erfahrungswerte erlauben eine realistischere Planung. Vielleicht kennen Sie ja auch jemanden, die regelmäßig dieselbe Strecke mit dem Auto fährt, und jedes Mal exakt 20 Minuten zu spät kommt, weil sie immer dieselbe unrealistische Schätzung für die Fahrtzeit verwendet? Das mag ja sein, dass sie sonst um Mitternacht dieselbe Strecke in 20 Minuten weniger schafft, aber eben nicht zur Feierabendzeit! Diese Regelmäßigkeit des Zuspätkommens zeigt ja gerade, dass die scheinbare Verspätung planbar gewesen wäre.
Flexibles Zeitmanagement
Ich nenne meine Zeitmanagement-Methode gerne „flexibles Zeitmanagement“, weil ich keinen Nutzen darin sehe, etwas zu planen, was ich nachher sowieso nicht einhalten kann. Uhrzeiten plane ich nur für Besprechungen, Telefonate und Webinare, da sie nun mal so funktionieren, dass alle Beteiligten zur selben Zeit anwesend sind. Hier ist ein spontanes Verschieben zwar möglich, aber nicht sehr schön.
Alle anderen Aufgaben stehen einfach auf meiner Tagesliste, notfalls priorisiert. Alles was unbedingt heute erledigt werden muss, erhält dann einen Punkt.
Das Wichtigste und Dringendste erledige ich immer zuerst. So manchen Abend habe ich mir früher nur darum im Büro um die Ohren geschlagen, weil ich diese Regel nicht beherzigt hatte. Am frischen Morgen sah der Zeitplan für heute ganz locker aus. Also begann ich erstmal mit unwichtiger Arbeit, weil ich die wichtige ja am Nachmittag noch machen könnte. Dann prasselte Unerwartetes auf mich herab und ich bereute meine Bummelei vom Morgen bitter. Daraus habe ich meine Lektion gelernt und beginne morgens wirklich mit dem Wichtigsten, auch wenn ich darauf keine Lust habe. Nachtschichten sind auch nicht lustig! Hat man für heute das Wichtigste schon vor 11 Uhr erledigt, ist man deutlich flexibler und entspannter.
Zeitpuffer einplanen: Letztlich dauert auch darum alles länger als erwartet, weil wir immer die optimistischste Schätzung annehmen. Besser ist es, pessimistisch zu sein. Wenn eine Besprechung 30-45 Minuten dauert, setzen Sie doch besser die Besprechungen nicht im Halbstundentakt an, sondern im Stundentakt. Natürlich kann Timeboxing auch eine gute Strategie sein: Man gibt jedem Gesprächspartner genau eine halbe Stunde, und was er in dieser Zeit nicht gesagt hat, kann nicht so wichtig sein. Ich finde es aber doch wichtiger, dass die Besprechung das geplante Ergebnis bringt, als dass sie im Zeitplan bleibt.
Sturheit: Manchmal muss man auch an seinem Plan unflexibel festhalten. Es dankt einem doch keiner, wenn z.B. ein Kollege mit seiner Zuarbeit zwei Wochen zu spät dran ist und ich dann, um seine Verspätung ein wenig auszugleichen, seinen Kram sofort weiterbearbeite, und dafür die andere Arbeit liegen lasse. Ein wenig muss man mit Kollegen, Chefs und Kunden auch erzieherisch kommunizieren, ihnen nicht alles durchgehen lassen, nicht immer zur Verfügung stehen.
Nur nicht aus der Ruhe bringen lassen!
Eine gesunde Mischung aus Vorausplanung, Flexibilität und Sturheit sorgen dafür, dass man auch im ärgsten Sturm der Unplanbarkeit noch das Steuer fest in der Hand behält. Das bedeutet, dass man immer die richtige Entscheidung trifft, mit der man auch hinterher noch zufrieden ist: Was verschiebe ich, wenn ich es heute nicht schaffe? Darf die Besprechung auch länger dauern oder verschieben wir die restlichen Themen auf nächste Woche? Muss ich heute länger arbeiten, um diese Aufgabe noch abzuschließen? Wichtig sind für solche Entscheidungen verlässliche Fakten über die anstehenden Aufgaben, deren Aufwand und Priorität sowie Meilensteinpläne für größere Projekte, die aufzeigen, bis wann welcher Stand erreicht sein muss. Den einzelnen Tag muss man dann flexibel planen.
Mehr zum diesem Thema finden Sie auch im Leitfaden „Zeitmanagement“ im Service Bereich des Freiberufler Blogs.
2 Kommentare
Ich fand diesen Artikel persönlich sehr interessant und hilfreich. Ich kann mich auch in vielen der hier beschriebenen Schwierigkeiten wiederfinden. In der heutigen Zeit verschätzt man sich eben gerne, weil man auch nicht immer dasselbe (Fließband) macht. Außerdem kommen ständig andere Dinge, welche den Zeitplan gerne mal komplett durcheinanderwerfen. Trotzdem will ich das Planen nicht aufgeben, weil ich sonst schnell den Überblick verliere und durcheinander komme. Ich finde diese flexible Tagesplanung eigentlich ganz praktisch. Ein guter Freund von mir, welcher ein facility Management Studium abgeschlossen hat, befasst sich auf mit solchen Themen und dieser befolgt eine ähnliche Arbeitsweise. Klar muss man Telefonate usw. immer noch mit Zeiten festhalten, aber den Rest als „Tagesliste“ aufzulisten und ggf. als Priorität zu markieren ist etwas, was ich mal ausprobieren möchte.
Viel Erfolg! Hat es geklappt?
Andrea Herrmann