Haftung für Fehler in der Open Source Software
Die GPL V.2 enthält in Ziffern 11 und 12 und die V. 3 in Ziffern 15 und 16 Vorschriften über den vollständigen Ausschluss von Haftung und Gewährleistungsrechten. Das klingt zunächst gut, ist es aber nicht:
Denn bei der GPL handelt es sich, da sie zur mehrfachen Verwendung vorgesehen ist, nach deutschem Recht um AGB. In AGB sind Haftungsbeschränkungen aber nur unter ganz engen Voraussetzungen wirksam, die nicht eingehalten sind. Zwar steht in der GPL, die Haftungsbeschränkung gehe nur soweit, wie das anwendbare Recht es erlaube, eine solche Formulierung ist in AGB aber nicht möglich. Denn das würde letztlich bedeuten, dass man in AGB auch formulieren könnte: „Der Kunde hat gar keine Rechte, soweit das anwendbare Recht das erlaubt.“ (vgl. Erben/Günther, IT Verträge wirksam vereinbaren, 5. Aufl. 2011 [im Erscheinen], 1.5.(4)). Dass das nicht gehen kann, ist klar, anderenfalls wäre das AGB-Recht sinnlos. Die Haftung des IT-Freelancers ist daher für die Software, an der der IT-Freelancer seinen Kunden unter der GPL Nutzungsrechte einräumt (die es also „lizenziert“), wegen der Unwirksamkeit der Haftungsbegrenzung vollständig unbeschränkt und auch der Höhe nach unbegrenzt. Ebenso muss der IT-Freelancer hierfür volle Gewährleistung erbringen. Grundsätzlich gilt, dass der IT-Freelancer OSS bei einem Weitervertrieb unter die GPL stellen muss, Ziffer 2. b GPL, der IT-Freelancer ist also sogar gezwungen, die unwirksamen Bedingungen zu verwenden. Eine Nichteinhaltung der Vorgaben der GPL würde daher dazu führen, dass die Berechtigung, die unter der GPL stehende Software zu nutzen, ganz entfällt.
Nach Ziffer 1 Abs. 2 GPL ist es zwar möglich, eine Garantie – sogar gegen Entgelt – für die Software zu übernehmen. Der Umfang der Garantie kann frei vereinbart werden. Es besteht also die Möglichkeit, durch Übernahme einer begrenzten Garantie (und damit Haftung) zumindest das Risiko einer vollkommen unbegrenzten Haftung zu vermeiden. Allerdings wird der IT-Freelancer eine solche Garantie für eine Software, die der IT-Freelancer gar nicht selbst entwickelt hat, in der Regel nicht übernehmen wollen.
Um für Fehler in der vom IT-Freelancer in seiner proprietären Software verwendeten OSS nicht zu haften, sollte die OSS nicht als Produkt des IT-Freelancers ausgeliefert werden, sondern als ein getrenntes Produkt, welches vom IT-Freelancer nur der Bequemlichkeit für den Kunden halber mit ausgeliefert wird – und zwar kostenlos. Hierbei kann das Risiko auf folgenden Wegen minimiert werden: Rechtlich am sichersten wäre es, den Kunden gleich darauf zu verweisen, er solle sich OSS als Grundlage für die eigentliche Applikation selbst beschaffen, das ist aber in der Regel aus Marketing- oder auch technischen Gesichtspunkten nicht praktikabel. Daher soll deutlich werden, dass der IT-Freelancer diesen Weg nur aus Kundenfreundlichkeit nicht geht, OSS aber gerade nicht vertreibt, sondern nur – wenn auch als Grundlage für die eigene Software – ausliefert, der IT-Freelancer hier also nur die Funktion der Post übernimmt. Um dies dem Kunden klarzumachen, sind folgende Maßnahmen erforderlich:
- Zunächst muss deutlich gemacht werden, dass Open Source Software (OSS) verwendet wird.
- Es muss weiter darauf hingewiesen werden, dass der IT-Freelancer die OSS der Bequemlichkeit für den Kunden wegen oder der Einfachheit halber (Vorkonfigurierung) mit ausliefert.
- Weiter muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass der IT-Freelancer dem Kunden an der OSS keine Rechte einräumt, sondern dass vielmehr der Hersteller der OSS die Weitergabe (und den Einsatz durch den Kunden) unter bestimmten Bedingungen freigegeben hat.
- Die Namen der OSS (hier also OSS) sowie die Namen der Hersteller, ggf. Distributoren, müssen vollständig genannt werden.
- Es muss ein klarer Hinweis erfolgen, dass der Hersteller die Nutzung von OSS nur unter den Lizenzbestimmungen der GPL V.2 erlaubt.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Gericht trotz der eben dargestellten Maßnahmen davon ausgeht, dass ein Vertrag zwischen dem IT-Freelancer und dem Kunden auch über die OSS zustande gekommen ist. Daher soll hier ein zweiter Ansatz helfen:
- Es soll klargestellt werden, dass die OSS kostenlos ausgeliefert wird. Dann wird man auf den Vertrag hochwahrscheinlich Schenkungsrecht anwenden können, so dass nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gehaftet wird.
- Nur die entsprechenden vom IT-Freelancer erstellten Applikationen oder eventuelle Vorkonfigurationen dürfen daher vergütet werden und das soll sich so auch deutlich aus Angebot/Rechnung etc. ergeben!
Es ist darauf hinzuweisen, dass es nur sehr wenige Gerichtsentscheidungen zur OSS gibt, sodass die Wirksamkeit der Maßnahmen nicht absolut sicher ist und ein gewisses Restrisiko bestehen bleibt.
Im nächsten Teil geht es um die Frage, wie verhindert werden kann, dass der IT-Freelancer bei Verwendung von OSS gezwungen wird, auch seine Eigenentwicklung als OSS zu vertreiben.