Nach wie vor sind viele halbwahre oder auch schlicht unwahre Informationen zum Thema Rentenversicherungspflicht im Umlauf. Dabei werden fast immer die verschiedenen Aspekte der Scheinselbständigkeit, Selbständigkeit und Rentenversicherungspflicht munter durcheinander gewürfelt.
Der Rechtsanwalt und BVSI-Justiziar Dr. Benno Grunewald erläutert im SOLCOM Online Magazin den aktuellen Stand in der Diskussion um die Rentenversicherungspflicht.
I. Scheinselbständigkeit?/Selbständig?/Rentenversicherungspflichtig?
Die einzelnen Bereiche und deren Abgrenzung zueinander sind zunächst zu klären.
Es gibt 4 Kategorien, die zu unterscheiden sind:
1. Selbständig (ohne Versicherungspflicht)
2. Selbständig (mit Rentenversicherungspflicht)
3. Arbeitnehmer (mit Sozialversicherungspflicht)
4. Scheinselbständig (temporär)
Da eine Tätigkeit letztlich in die Kategorien 1 bis 3 eingeordnet werden muss, stellt die 4. Kategorie nur einen vorübergehenden Zustand dar. Niemand kann auf Dauer scheinselbständig sein.
Da die ursprünglich im Gesetz enthaltenen Kriterien für die Annahme einer Scheinselbständigkeit bzw. Arbeitnehmereigenschaft im Jahre 2003 wieder gestrichen worden sind, ist im Gesetz nur folgende Regelung verblieben:
„Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“ (§ 7 Abs. 1 SGB IV)
Somit obliegt es der DRB (Deutschen Rentenversicherung Bund) den vollen Beweis in jedem Einzelfall zu führen. Da dies sehr aufwendig und häufig nicht sehr Erfolg versprechend ist, konzentriert sich die DRB auf das Thema Rentenversicherungspflicht.
II. Rentenversicherungspflicht!
Die gesetzlichen Regelungen zur Rentenversicherungspflicht haben sich zwischenzeitlich nicht geändert und lauten:
„Versicherungspflichtig sind selbständig tätige Personen, die
1. im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 400,00 EUR im Monat übersteigt
2. und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.“ (§ 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI)
Als Arbeitnehmer im Sinne im Sinne des Satzes 1 Nr. 9 gelten für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft.“ (§ 2 Satz 4 Nr. 3 SGB VI).
Die DRB legt dabei die beiden unbestimmten Rechtsbegriffe „im wesentlichen“ und „auf Dauer“ wie folgt aus:
- „im Wesentlichen“ = mehr als 5/6 der Einnahmen von einem Auftraggeber
- „auf Dauer“ = über 1 Jahr nur ein Auftraggeber
Die bislang damit befassten Sozialgerichte neigen zu einer anderen Auslegung:
Nicht die Dauer der Vertragsbeziehung oder der Umfang der Einnahmen ist demnach von Bedeutung, sondern die unternehmerische Ausrichtung des Selbständigen.
Wenn der Selbständige darlegen kann – trotz einer langen Vertragsbindung zu nur einem Auftraggeber – dass er dennoch „am Markt“ präsent war bzw. ist, spielt die eigentliche Dauer der Tätigkeit keine entscheidende Rolle mehr.
Hieraus lassen sich die folgenden Empfehlungen ableiten:
- keine vertragliche Verpflichtung in Bezug darauf, Leistung persönlich zu erbringen und keine vertragliche Einschränkung des Einsatzes eigener Mitarbeiter
- Archivieren von Projekt-Angeboten, eigener Akquisitionsaktivitäten und sonstiger Kontakten zum Nachweis des unternehmerischen Handelns
- Unternehmerisches Auftreten (eigene Website, Eintrag in Projektbörsen, etc.)
- Widerspruch gegen Bescheide der DRB einlegen
- Hinzuziehung eines in der Sache versierten Rechtsanwalts
Festzuhalten bleibt, dass die DRB nach wie vor reges Interesse an (Zwangs-) Beitragszahlern hat. Hier stellen die Selbständigen mit nur einem Auftraggeber ein großes Potential dar. Daher sollten sich alle Selbständigen dieses Risikos nicht nur bewusst sein, sondern auch möglichst prophylaktisch tätig werden.