«Ein bisschen Stress hat noch niemandem geschadet», sagt der Volksmund. Und er hat recht. Den gesunden Stress, den sogenannten Eustress, gibt es wirklich. Er resultiert aus der anspruchsvollen Herausforderung der beruflichen Aufgabe. Grundsätzlich ist er positiv – solange er nicht überhand nimmt -, denn er lässt keine Langeweile aufkommen und stimuliert die Person zu hohen Leistungen und guten Ergebnissen im Sinn von Wachstum für die Person und das Unternehmen. Es ist nicht die Menge der Arbeit, die negativen, ungesunden Stress, den sogenannten Distress, verursacht. Wissenschaftliche Untersuchungen und praktische Erfahrungen zeigen, dass erst das Fehlen von Sinn, der Verlust des Gefühls von Kontrolle und das zunehmende Gefühl von Hilflosigkeit eine anspruchsvolle Arbeitssituation zu Stress werden lassen.
Wenn diese Belastungen nicht verarbeitet werden oder wenn keine innere oder äußere Distanzierung stattfindet, kann Distress zu psychosomatischen Beeinträchtigungen sowie zum Verlust von Qualifikation und Weiterentwicklung führen. Auch für das Unternehmen entsteht Schaden, nicht nur durch Ausfallzeiten der Arbeitnehmenden wegen Krankheit, sondern auch indirekt durch Fehlentscheidungen, Ineffektivität, den Konkurs von Kreativität und schließlich durch einen sinkenden Ertrag.
Dauerstress kann Burnout bewirken
Die extremste Auswirkung von nicht bewältigtem Dauerstress ist der «Burnout», das innere Ausbrennen. Besonders gefährdet sind dynamische, zielstrebige Menschen und Idealisten, die sich bei allem, was sie tun, voll und ganz einsetzen. Wer keine Möglichkeit mehr zur Ruhe und Entspannung finden kann und die Symptome der eigenen Erschöpfung verdrängt, ist vielleicht schon mitten in einem Burnout-Prozess. Burnout entsteht über mehrere Phasen:
- Phase I besteht aus einem Überengagement. Der Beruf wird als zentraler Lebensinhalt gesehen, einhergehend sowohl mit dem Gefühl der Unentbehrlichkeit, aber auch mit einer beginnenden inneren Einsamkeit, Schwierigkeiten im Gefühlsausdruck und großem Hunger nach Bestätigung und Anerkennung. Um ein hohes Anspruchsniveau aufrechtzuerhalten, werden die eigenen Bedürfnisse verdrängt.
- So treten in Phase II oftmals chronische Müdigkeit, Energiemangel und Unausgeschlafenheit auf. Dies geht einher mit verstärkter Verleugnung der Symptome.
- In Phase III klagen Betroffene dann über Schlafstörungen, körperliche Schmerzen, veränderte Essgewohnheiten, vermehrte Einnahme von Alkohol oder anderen Drogen. Beobachtbar sind Verhaltensänderungen und Rückzug.
- Das Ende des Burnout-Prozesses, Phase IV, bedeutet eine tiefgreifende existenzielle Verzweiflung, Hoffnungs- und Sinnlosigkeit und der Identifikationsverlust mit der Arbeit und dem Unternehmen.
Weshalb Burnout?
Die Ursachen für Burnout können nur als Zusammenspiel von persönlichen, organisationalen und gesellschaftlichen Faktoren gesehen werden. So ist in der wirtschaftlichen Krisensituation, in der sich viele Unternehmen zurzeit befinden, häufig zu beobachten, dass Führungskräfte, die sonst einen kooperativen, fördernden Führungsstil praktizieren, zu einem autoritär geprägten Verhalten zurückkehren. Führungsfehler wie schlechte Information, demotivierende und oft zu hoch angesetzte Ziele, ungerechte Mitarbeiterbeurteilungen sowie mangelhafte Übertragung von Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen tragen wesentlich zur Verunsicherung und zu einem Anstieg des persönlich erlebten Stresses bei. Hinzu kommt eine gesamtwirtschaftliche Lage, in der eine erlebte Bedrohung des eigenen Arbeitsplatzes oft einhergeht mit eingeschränkt wahrgenommenen Möglichkeiten, den Arbeitsplatz zu wechseln.
Burnout-Gefährdete, die an sich und ihre Leistungen unermesslich hohe Ansprüche stellen, tun sich dann schwer, einzugestehen, dass sie nicht mehr weiterkommen mit noch mehr Perfektionismus. Der Stress-Arbeitsstil müsste durch einen anderen, ungewohnten Arbeitsstil ersetzt werden, der Selbstreflexion, realistische Erwartungshaltungen, angemessenes Engagement und die Akzeptanz eigener Fehler und Grenzen erfordert.
Stressbewältigung als Freelancer
«Die unbequemste Art der Fortbewegung ist das In-sich-gehen» (Karl Rahner). In wissenschaftlichen Studien wurden als hauptsächliche Persönlichkeitsmerkmale für die Vermeidung von Stress und Ausbrennen festgestellt:
- Die Fähigkeit, eigene Erwartungen an die Arbeitsbedingungen anzupassen.
- Persönliche Stabilität und Unabhängigkeit von äußerer Anerkennung.
- Die Wahrnehmung der eigenen Wirksamkeit, Verhandlungskompetenz.
- Flexibilität und Offenheit für Veränderungen.
- Positive Einstellung zu lebenslangem Lernen.
Eigene Anstrengungen, sich in diese Richtung zu entwickeln, ähneln oft dem Zopf Münchhausens und sind mit professioneller Hilfe leichter. Moderne, verantwortliche Mitarbeitende wissen ebenso wie ein Spitzensportler, dass sie im Beruf Coaching brauchen, das in diesem Fall einen dreiphasigen Entwicklungsweg bedeutet:
- Selbstreflexion über Fragen, beispielsweise wie: Wo setze ich Grenzen? Wo überschreite ich Grenzen? Was kann ich persönlich beeinflussen, was nicht? Wo kann ich Unterstützung einfordern? Woran messe ich, ob etwas gut oder schlecht gelaufen ist? Sind diese Maßstäbe noch zeitgerecht, aktuell? Woran erkenne ich selbst, dass ich mit einer erledigten Aufgabe zufrieden sein kann?
- Bewusstsein über sich selbst. Hier geht es darum, sich der eigenen Ansprüche, seines Images nach außen und eigener Ziele bewusst zu werden.
- Maßnahmen und Lösungsansätze. Auf der Grundlage von Reflexion und Bewusstsein können individuell sinnvolle, oft kleine, aber wirksame Veränderungen stattfinden, beispielsweise: ein positives Selbstbild entwickeln, die Signale des Körpers beachten, sich selber wertschätzen, sich belohnen können und auch lernen, nein zu sagen.